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Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies

Titel: Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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jener mit dem roten Umhang, deutete auf das Tier und rief etwas auf Arabisch.
    Die Raubkatze wandte mit trügerischer Ruhe den riesigen Schädel in die Richtung der drei und stieß ein warnendes Brüllen aus. Dabei aber bewegte sie sich nicht von der Stelle, schmiegte sich noch enger an das Bein des Wesirs und ließ sich den Pelz kraulen.
    Die drei Minister wichen einige Schritte zurück, und Abu Tahir lachte sie aus. Dann aber erwiderte er etwas, ging vor dem Löwen in die Hocke und gab ihm einen Kuss zwischen die Augen. Libuse saß da wie angewurzelt, hörte das wohlige Schnurren des Ungeheuers und bewunderte nicht nur die wuchtige Eleganz der Katze, sondern auch den Mut des Mannes. Widerstrebend musste sie erkennen, dass Hass und Respekt eina nder nicht zwangsläufig ausschlo ssen.
    Abu Tahir erhob sich, klopfte liebevoll auf die Flanke des Löwen und schickte ihn mit einem knappen Befehl zurück in den Käfig. Die weiße Raubkatze trottete die Rampe hinauf und zog sich gehorsam hinter das Gitter zurück. Der Wesir legte die Kette um die Stangen und drehte den Schlüssel in dem kopfgroßen Vorhängeschloss herum. Dann erst winkte er die drei Minister heran, die sich ihm nach anfängliche m Z ögern näherten. Der Mann im rubinroten Mantel war sichtlich verärgert und schien Abu Tahir Vorhaltungen zu machen, die beiden anderen schwiegen verbissen. Der Jüngste unter ihnen zupfte verlegen am Saum seines Purpurgewandes, fast als schämte er sich für seine Furcht vor dem Löwen.
    » Sind sie das? «
    Die geflüsterten Worte ließen Libuse herumwirbeln.
    Sinaida legte einen Finger an ihre Lippen und schüttelte stumm den Kopf. Libuse hatte die Mongolenprinzessin nicht kommen hören, und sie erinnerte sich an die Gerüchte, die man sich über die Nizaris erzählte. Sie nickte stumm.
    Sinaida rückte neben sie, und dann blickten sie gemeinsam durch das Buschwerk hinaus auf den Weg zwischen den Käfigen. Die fleischigen Blätter der Pflanzen waren mit einer hauchfeinen Rußschicht überzogen, die erst sichtbar wurde, wenn man sie berührte. Die Oberflächen wirkten stumpf und kränklich.
    Libuses Herzschlag trommelte in ihren Ohren, und Sinaida bemerkte wohl, was in ihr vorging. » Verzeih «, flüsterte sie. » Ich wollte dich nicht erschrecken. «
    » Schon gut. « Das klang halbherzig, entsprach aber der Wahrheit. Sie hatten wahrlich andere Sorgen.
    Libuses Hand am Schwertgriff war feucht, und ihre Atmung wollte sich beim besten Willen nicht beruhigen.
    Sinaida dagegen wirkte so gelassen, als sähe sie ein paar Gärtnern bei ihrer Arbeit in den Palastbeeten zu. » Dein Vater ist ein uneinsichtiger alter Mann. « Als sie sah, dass Libuse zornig widersprechen wollte, hob sie abwehrend eine Hand und fuhr flüsternd fort: » Aber er weiß auch, was er tut. Er ist ein guter Stratege. Umsichtiger als Hulagu, das steht fest. Und vielleicht sogar gerissener als der Großkhan selbst … Jedenfalls werde ich nicht tatenlos zusehen, wie dieser Hundesohn dort drüben ihn ermorden lässt. Schon gar nicht von einem Haufen Höflinge. «
    Libuse atmete tief durch. » Sie alle sind Hauptmänner der Armee gewesen, bevor sie Minister wurden. «
    » So? « Sinaida hob eine Augenbraue. » Dann werden wir wohl gleich herausfinden, wie viel sie seither verlernt haben, nicht wahr? «
    Die vier Männer standen noch immer einen Steinwurf entfernt zwischen den Raubtierkäfigen, steckten die Köpfe zusammen und redeten leise miteinander.
    » Wie gut kannst du damit umgehen? « Sinaida deutete auf Libuses Schwert.
    » Ich weiß, wie man die Deckung eines Gegners durchstößt «, erwiderte Libuse mit einem Kloß im Hals. » Ich kann einen Angriff unterlaufen und eine ganze Reihe von Paraden zunichte machen. «
    » Aber weißt du auch, wie man tötet? «
    » Ich hatte einen guten Lehrer. «
    Sinaida musterte sie einen Moment mit ernster Miene, dann lächelte sie plötzlich. » Zeigen wir ’ s ihnen. «
    Und damit sprang sie ohne weitere Absprache oder Übereinkunft aus den Büschen ins Freie, riss ihr Krummschwert aus der Scheide und jagte in einem wilden Zickzack auf die vier erstaunten Verräter zu. Libuse schluckte, zog aber sogleich Zubaidas Kurzschwert und setzte hinterher. Noch während sie rannte und versuchte, alle überflüssigen Gedanken beiseite zu schieben, dachte sie, dass sie es in der Wahl ihrer Kampfgefährtin schlechter hätte treffen können – hätte ihr denn überhaupt irgendjemand eine Wahl gelassen.
    Es war der Älteste der

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