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Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies

Titel: Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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beschwörend.
    » Corax «, sagte Albertus mit düsterer Miene.
    » Was ist mit ihm? « Favola drängte sich besorgt neben Aelvin.
    Albertus blickte zum Pulk der Soldaten und Heiler. » Sie sagen, dass er sterben wird. «

ABSCHIED
    D er Kalif hatte Corax in seine Privatgemächer bringen lassen, und dort lag er nun, gebettet zwischen feinsten Daunen in goldbestickten Bezügen, auf kunstvollen Kissen aus Seide und Damast. Man hatte die hauchdünnen Vorhänge rund um den Baldachin zusammengerafft, damit alle, die es danach verlangte, an die Bettkante treten und Abschied nehmen konnten.
    Albertus und der Leibarzt des Kalifen, ein gebeugter, spitzbärtiger Alter mit gewaltigem Turban, standen ein wenig abseits, nahe der Stufen, die zu einer Terrasse an der Außenseite der Herrschergemächer führten. Die hohe Bogentür nach draußen war geschlossen, aber hinter den Fenstern tobte die Höllenglut der brennenden Stadt und tauchte die Kammer in Lavarot.
    Libuse saß zu Corax ’ Rechten, hielt seine grobe Pranke mit beiden Händen und tupfte ihm gelegentlich Schweiß von der Stirn, bis er zum Erstaunen aller die Kraft aufbrachte, zu lächeln und sie anzubrummen: » Lass das lieber … Irgendwer könnte noch meinen, ich läge im Sterben. «
    Natürlich wussten sie es alle, auch er selbst. Niemand versuchte, das Unausweichliche zu verschleiern oder abzustreiten. Der Tod stand bereit, war schon ganz nah, und Aelvin stellte ihn sich vor, wie er als Holzschnittgerippe in schwarzen Gewändern vor dem Flammenpanorama schwebte, au f h eißen Feuerwinden auf und ab trieb und darauf wartete, dass man ihn endlich hereinrief.
    Aelvin saß neben Libuse, wusste nicht, wohin mit seinen Händen, und fühlte sich schrecklich unnütz. Manchmal, wenn sich ihr Blick in seine Richtung verirrte – immer nur zufällig, so schien es ihm –, dann lächelte er rasch und, wie er hoffte, aufmunternd. Doch sie erwiderte das Lächeln nur ein einziges Mal, ganz kurz, und selbst da hatte er das Gefühl, dass es nicht ihm galt, sondern einer Erinnerung, einem Gedanken an Vergangenes zwischen ihr und ihrem Vater.
    Es hatte kein Wiedersehen gegeben, wie er es sich während der Tage auf dem Turm ausgemalt hatte. Als Aelvin, Favola und Albertus an der Seite von Corax ’ Trage durch das Tor in die Gärten getreten waren, war ihnen Libuse auf einem ungesattelten Pferd entgegengesprengt. Bei ihr war auf einem zweiten Ross eine junge Frau mit langem schwarzem Haar und Mandelaugen. Weder Aelvin noch Favola hatten sie je zuvor gesehen, aber es gehörte nicht viel dazu, in ihr eine Mongolin zu erkennen. Die beiden jungen Frauen hatten Blutflecken auf ihrer Kleidung, wirkten abgekämpft, verschwitzt und schmutzig.
    Libuse war neben der Trage ihres Vaters niedergesunken und hatte das Gesicht an seiner Schulter vergraben. Dann hatte Albertus sie sanft, doch mit Nachdruck von ihm fortgezogen, damit die Männer ihn so schnell wie möglich in den Palast bringen konnten.
    Aelvin war zu ihr gegangen und hatte sie in den Arm genommen, fast instinktiv, ohne darüber nachzudenken. Erst da hatte sie ihn erkannt, doch gesagt hatte sie nichts. In ihren Zügen hatte sich endloses Leid mit Erleichterung gemischt, und dann war sie in Tränen ausgebrochen und hatte in seinen Armen geweint wie ein kleines Mädchen, so verzweifelt und am Boden zerstört, dass viele der umstehenden Soldaten die Häupter gesenkt und ihre Pein geteilt hatten.
    Jetzt, im Gemach des Kalifen, bebten Corax ’ Lippen. » Was ist … mit der Karte? «
    » Albertus hat sie gefunden «, sagte Libuse mit schwankender Stimme. » Es hat ein paar Tage gedauert, aber schließlich hat er sie mithilfe des kleinen Bibliothekars irgendwo aufgestöbert. «
    Aelvin blickte hinüber zum Magister, der sofort das Gespräch mit dem Leibarzt abbrach und zurück zum Bett eilte. Er setzte sich auf die andere Seite und beugte seinen Mund nah an Corax ’ Ohr. » Ich kenne jetzt den Weg. Wir werden unsere Aufgabe erfüllen. «
    » Das Teilstück … «
    » Es ist das letzte. Es reicht bis zu unserem Ziel. «
    Corax versuchte zu lächeln, aber es wurde nur ein Zucken seiner Wangenmuskulatur daraus. » Das … ist gut … Ist es weit von hier? «
    » Nicht weit genug für uns, alter Freund. « Albertus ergriff Corax ’ Linke und drückte sie sachte. » Nicht nach allem, was wir gemeinsam durchgestanden haben. «
    » Du wolltest, dass ich dich herbringe … «
    » Und das hast du getan. «
    » Mitten … in einen … Krieg. «
    »

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