Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies
einen Steinsarg gebettet werden und in einer geheimen Gruft seine ewige Ruhe finden.
Der Klang der Hörner nahm kein Ende, und bald wusste jeder, dass die Mongolen einmarschierten. Ein Zug aus berittenen Kriegern der Großen Horde zwängte sich durch die Gassen der Runden Stadt, und es wurde gemunkelt, Hulagu selbst führe den Trupp in den Palast, um das Gnadengesuch des Kalifen entgegenzunehmen. Die Flüchtlinge draußen in den Straßen waren viel zu verängstigt, um Widerstand zu leisten; wer aber doch gegen die Eroberer aufbegehrte, wurde ohne Zögern niedergemacht.
Die Gefährten wurden gemeinsam mit anderen Gästen des Kalifen in der Großen Halle gefangen gesetzt. Hier war Libuse dem Herrscher zum ersten Mal begegnet. Am Fuß der mächtigen Säulen standen nun keine Leibgardisten mehr, sondern die breitgesichtigen Krieger der Großen Horde, mit aufgepflanzten Lanzen und gezückten Schwertern. Mit undurchschaubaren Mienen hielten sie die Gefangenen in Schach. Dutzende Männer und Frauen aus aller Herren Länder, Botschafter, Gesandte, aber auch Fürsten mit ihrem Hofstaat, waren dazu gezwungen worden, sich auf den Boden der Halle zu setzen und dort abzuwarten. Manche kauerten da mit angezogenen Knien, andere im Schneidersitz, und einige hatten sich gar zusammengerollt und versuchten zu schlafen.
Im Palast wimmelte es jetzt von Männern des ll-Khan. Zuvor hatte in den Fluren und Sälen des gewaltigen Gebäudes stets eine ehrfürchtige Ruhe geherrscht, und man hatte minutenlang durch die Gänge streifen können, ohne einer Menschenseele zu begegnen. Jetzt aber drangen aus allen Richtungen Stimmen in die Große Halle, und unablässlich ertönte das Getrappel marschierender Krieger.
Keiner verriet den Gefangenen, was draußen in der Runden Stadt geschah. Ob dort gebrandschatzt wurde oder Massenhinrichtungen stattfanden, wusste niemand. Albertus versuchte, die anderen zu beruhigen, indem er Hulagus Vernunft hervorhob, doch Libuse genügte ein Blick in die Augen Sinaidas, die verschleiert an ihrer Seite saß, um Bestätigung ihrer Zweifel an den Worten des Magisters zu finden.
Die Mongolenprinzessin trug über Hose und Wams nun wieder ein Kleid, violett mit silbernen Mustern. Es ließ sie wie eine arabische Edeldame erscheinen – Zubaida hatte es ihr vor dem Einmarsch gegeben –, und sie hielt das Gesicht gesenkt, damit keiner der Krieger sie als Mongolin erkannte. Libuse fürchtetet dennoch, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis die Wahrheit ans Licht käme.
Nachdem sie mehrere Stunden in der Großen Halle am Boden gekauert hatten, bat Libuse Sinaida im Flüsterton um eine Einschätzung der Lage. Niemand kannte die Sitten der Eroberer besser als sie.
Die Mongolenprinzessin warf einen vorsichtigen Blick zu den Wächtern an der nächsten Säule, dann erwiderte sie leise:
» Hulagu hat draußen vor den Toren der Runden Stadt Hunderttausende hinschlachten lassen. « Mit einem Nicken deutete sie in die Richtung von Albertus. » Was lässt deinen haarlosen alten Freund annehmen, dass der Il-Khan nach der Kapitulation anders verfahren könnte? «
Libuse warf einen Seitenblick auf Albertus. » Hoffnung vielleicht? «, schlug sie vor.
» Die Hoffnung hätte das Erste sein sollen, das beim Klang der Hörner gestorben ist «, sagte Sinaida kühl.
» Und der Kalif? «
» Hulagu spielt mit ihm. An seiner Vorgehensweise wir d s ich durch al-Mutasims Aufgabe nichts ändern. Ich habe es mehr als einmal erlebt. Hulagu hat vielen seiner Männer das Leben gerettet, indem er sich zum Schein auf diese Gespräche eingelassen hat. Aber die Wahrheit ist doch, dass es gar nichts zu besprechen gibt. Dein Vater und ich, wir wussten beide, dass die Stadt kaum zu halten war. Wir hätten es versucht, aber es war aussichtslos. Das Beste, das wir hätten erreichen können, war, so viele Krieger der Großen Horde mit in den Tod zu nehmen wie möglich. «
Aelvin hatte alles mit angehört. » Dann wird man uns so oder so hinrichten lassen? «
» Vielleicht nicht alle «, sagte Sinaida. » Hulagu wird prüfen, wer von den hohen Gästen des Kalifen als Geisel taugt und womöglich Lösegeld einbringen könnte. « Ihr Lächeln war eisig. » Wer wird dich in Gold aufwiegen, Junge? «
Aelvin wurde blass, doch da mischte sich Favola wutentbrannt ein. » Wer gibt dir das Recht, uns Angst zu machen, Mongolin? «
Sinaida zuckte nur die Achseln. » Die Erfahrung. «
Libuse, die verhindern wollte, dass der Streit zwischen den beiden
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