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Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies

Titel: Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Mittagswüste. Überall waren kleine schwarze Punkte verstreut, und auf den ersten Blick fürchtete Aelvin, es wären Menschen, die dort zwischen den Wogen des Sandmeeres auf sie warteten. Doch nichts in dieser endlosen Weite bewegte sich. Auch Shadhan war nirgends zu sehen. Die Flecken im Weiß waren keine Lebewesen, sondern etwas Totes, Starres.
    Sie ließen ihre Kamele weitertraben, und bald erreichten sie eine der Stellen im Sand. Mithilfe der Zügel befahl Aelvin seinem Tier, sich hinzulegen – nach allerlei Stürzen und Prellungen hatte er den Bogen mittlerweile recht gut heraus –, glitt aus dem Sattel, kam in einer Staubwolke am Boden auf und streckte die Hand nach dem Fragment im Sand aus.
    Es war ein kindskopfgroßes Stück Stein, schwarz oder von sehr dunklem Rot, und es besaß die gleiche glasähnliche Beschaffenheit wie die Steinriesen. Die Kanten waren scharf, obgleich Sand und Wind seit einer Ewigkeit an ihnen schliffen.
    » Scherben. « Aelvin wandte sich zu den anderen um. Er konnte sie kaum sehen, dort oben auf den Kamelen, so sehr blendete ihn die Sonne über ihnen am Himmel. » Es sieht aus , als hätte jemand einen oder mehrere der Riesen zertrümmert und die Bruchstücke einfach in der Wüste verstreut. «
    » Vielleicht ist der ganze Garten Eden erst zu Stein erstarrt «, schlug Libuse ohne echte Überzeugung vor, » und dann zermalmt worden. «
    » Unter den Füßen der Engel «, raunte Albertus, der ihren Vorschlag viel ernster nahm als sie selbst. » Bei Gott, was für Kräfte müssen hier gewütet haben! Welch ein Zorn! «
    Aelvin hielt sich an der Mähne des Kamels fest und zog sich zwischen die Höcker, während sich das Tier vom Boden erhob.
    Sie ritten weiter und passierten immer mehr der bizarr geformten Trümmerstücke, manche nur winzige Splitter, andere so groß wie ein Mensch. Vielerorts ragten Kanten und Spitzen aus dem Sand hervor, und es ließ sich nur erahnen, wie groß der Rest sein musste, der im Boden begraben lag.
    Später am Tag, als sich die Sonne langsam wieder senkte, erkannten sie noch etwas anderes, und es dauerte eine Weile, ehe sie die Bedeutung dieser Entdeckung erfassten: Der Felsgigant, dem sie sich näherten, schien der letzte in der Reihe zu sein. Dahinter war bis zum Horizont kein weiterer mehr zu sehen.
    » Das also ist es? «, fragte Libuse enttäuscht. » Hat der Jünger die Lumina irgendwo dort drüben gefunden? «
    Aelvin hatte das Gefühl, als presste jemand einen Lehmklumpen durch seinen Hals nach oben. Etwas in ihm weigerte sich zu akzeptieren, dass dies das Ziel ihrer Reise sein sollte. Überhaupt jemals anzukommen war eine Vorstellung, die ihm seltsam fremd geworden war.
    Und doch schien ihr Weg hier zu Ende zu sein. Ein Steinriese unter vielen, der aus den Dünenkämmen schaute wie ein fauler Zahn aus einem angegilbten Knochenkiefer. Und obgleich dieses Land so unwirklich erschien wie die Szenerie eines Albtraums, so wirkte der Ort an sich doch nach all den Tagen in der Wüste beinahe unspektakulär.
    Hierfür also waren so viele gestorben: Corax und die Nonnen in Favolas Kloster; Gabriel und seine Männer; sogar Odo, Aelvins Freund, an den er seit Wochen kaum mehr gedacht hatte. Selbst jetzt, selbst hier, tat es weh, sich sein Gesicht vorzustellen, den Augenblick seines Todes im Pfeilhagel der Wolfskrieger.
    Alles nur, damit sie diesen Ort erreichen konnten, diesen gottverlassenen Flecken Erde. Noch dazu mit leeren Händen und einer Hüterin, die selbst mehr tot als lebendig war.
    Etwas in Aelvin ballte sich zusammen wie eine Faust, er krümmte sich im Sattel, verlor fast das Gleichgewicht und hielt sich nur mit Mühe und Not an den Zügeln fest.
    Und plötzlich waren da Stimmen.
    Überall Stimmen.
    Als er wieder aufblickte, hinüber zu den Rändern der Dünen unter dem eisenfarbenen Himmel, war die Wüste zum Leben erwacht.
    DER LETZTE WEG
    L i buse sah, wie Aelvin sich vorbeugte und einen Moment verharrte, als sei ihm übel geworden. Sie wollte ihr Kamel dazu bringen, an seine Seite zu traben, doch da bewegte er sich bereits wieder, setzte sich auf und sah fast ein wenig verdutzt aus, als hätte ihn unvermittelt ein Schlag getroffen, der ihn fast vom Rücken des Tiers beförderte.
    Libuse folgte seinem Blick – und da entdeckte auch sie die Gestalten auf den umliegenden Dünen.
    Es waren viele, und auf den ersten Blick hatten sie wenig mit Menschen gemein.
    Ihre Proportionen stimmten nicht. Die Körper waren zu klein für die langen Beine, auf

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