Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies

Titel: Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
Vom Netzwerk:
aus der etwas herüberwehte, das Tasten fremder Sinne. Die Luft um sie herum knisterte, und das kam nicht allein vom Sand, den der Wind vom Boden hob und raschelnd gegen ihre Gewänder trieb.
    Der Alte sagte etwas auf Arabisch, und Sinaida antwortete nach kurzem Zögern. Es klang, als wiederholte sie seine Worte. Eine Grußformel, vermutete Libuse. Wahrscheinlich eine dieser ritualisierten Bitten an Allah, von denen die Araber Dutzende zu kennen schienen und die für einen Fremden doch alle das Gleiche besagten: Sei mit uns, rette uns, meine es gut mit uns.
    Doch irgendetwas verriet Libuse, dass dies keine gewöhnlichen Araber waren. Und obgleich ihr die Worte, die der Alte und Sinaida wechselten, fremd waren, schien ihr » Allah « nicht darunter zu sein.
    Die Kamele schnaubten ungeduldig und traten auf der Stelle.
    Favola hielt sich noch immer mühevoll aufrecht.
    Albertus sah von Sinaida zu dem alten Mann und wieder zurück, als könnte er die Bedeutung des Gesprächs von ihren Lippen ablesen. Auch Libuse und Aelvin beobachteten aufmerksam jede Geste und versuchten den Tonfall der einzelnen Silben zu deuten.
    Schließlich trieb der Alte sein Kamel voran und kam näher. Er lenkte das Tier auf Favola zu, so als hätte er jedes Interesse an den übrigen Gefährten verloren.
    Libuse hielt den Atem an.
    » Was will er? «, zischte Albertus, doch Sinaida schüttelte stumm den Kopf und legte einen Finger an die Lippen.
    Favola blickte dem alten Mann entgegen. Er brachte sei n K amel neben das ihre, und für einen Moment glaubte Libuse, er wolle sie berühren. Doch dann sahen die beiden einander nur lange an, ihre Blicke versanken ineinander. Schließlich nickte der Alte bedächtig – und verbeugte sich.
    Im selben Augenblick senkten auch die beiden anderen Männer die Häupter, und die Bewegung setzte sich wie eine unsichtbare Woge zu den fernen Umrissen auf den Dünenkämmen fort. Auch die Gestalten dort oben verneigten sich und verschwanden gleich darauf hinter den Sandkuppen, als hätte die Wüste selbst sie verschlungen.
    Der Wind erhob sich ein weiteres Mal und säuselte leise. Sandteppiche trieben die Hänge herab. Die Tür jenseits der Wirklichkeit fiel wieder zu. Unsichtbare Fäden zerrissen.
    Dann herrschte Stille.
    Und in dieses Schweigen der Menschen, der Wüste, der Winde hinein sagte Sinaida: » Ihr hattet Recht. Wir haben den Garten Gottes gefunden. «
    Aber es war kein Triumph in ihrer Stimme.
    Nur Enttäuschung.
    *
    » Sie dürfen den Boden nicht berühren «, flüsterte Sinaida, während sie nah beieinander auf ihren Kamelen saßen und darauf warteten, dass der Alte seine komplizierte Zeremonie beendete. Dazu hatte einer seiner Begleiter einen Teppich entrollt und vom Sattel aus in den Sand geworfen; der alte Mann hatte sein Kamel daneben zum Liegen gebracht und war mit zittrigen Bewegungen vom Sattel aus auf den Teppich geklettert, ohne mit den Füßen den Sand zu berühren.
    » Sie nennen sich selbst die Qurana … das ist die Mehrzahl von Qarin « , fuhr Sinaida fort. » Ein Qarin ist eigentlich ein Geist, der einen Menschen überallhin begleitet. So sehen sie selbst sich offenbar, als Schatten all jener, die sich de m H erzen der Rub al-Khali nähern. Für sie befindet sich hier noch immer das Paradies, das den Menschen verwehrt bleiben muss. Darüber wachen sie, und das Gesetz gilt auch für sie selbst. Sie betreten den Boden nur an wenigen besonderen Orten – etwa am Fuß der Felsen – oder unter ganz bestimmten Voraussetzungen. «
    Sinaida hatte mit einem der beiden Bewaffneten gesprochen, während die Gefährten den drei Arabern ein Stück weit nach Süden gefolgt waren, näher an das letzte finstere Felsmonument heran. Von hier aus lag es noch eine gute Stunde entfernt.
    » Der Boden muss vorbereitet werden, damit ein Sterblicher seinen Fuß darauf setzen darf. Alles andere würde ihn seiner Heiligkeit berauben. «
    » Entweihen «, verbesserte Albertus in Gedanken versunken. » Den Garten Eden entweihen. «
    Sinaida zögerte, dann nickte sie. » So etwas in der Art, ja. «
    » Deshalb laufen sie auf Stelzen? «, fragte Libuse mit gerunzelter Stirn.
    » Nur außerhalb ihrer Lager «, sagte die Mongolin. » Ihre Schamanen können einen Ort für kurze Zeit für Menschen zugänglich machen. « Sie sah die anderen der Reihe nach an. Selbst Favolas Miene verriet Zweifel. Sinaida hob abwehrend eine Hand. » Das sind nicht meine Regeln! «
    » Ein ganzes Leben auf Stelzen? « Libuse schüttelte

Weitere Kostenlose Bücher