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Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies

Titel: Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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und seltsam verhärtet, als sähe sie hinter ihren Augenlidern Dinge, die sie verzweifelt aus ihrem Bewusstsein vertreiben wollte. Albträume, deren Griff sie nicht losließ.
    Albertus suchte in seinem Heilkräuterbeutel. Doquz hatte ihn auffüllen lassen, bevor sie ihn zurückgab. Er zog ein verkorktes Tonfläschchen hervor, öffnete es und hielt es unter Favolas Nasenflügel. Aelvin roch den scharfen Odem und verzog das Gesicht, doch Favola zuckte nicht einmal.
    » Ich habe gesehen, wie sie gestern Abend ihre Medizin genommen hat «, sagte er. » Ich bin ganz sicher. «
    » Sie ist jetzt jenseits aller Heilkunde, fürchte ich «, entgegnete der Magister düster und ließ das Fläschchen wieder verschwinden.
    » Was? « Aelvin verschluckte sich fast an diesem einen Wort. » Wie … wie könnt Ihr so etwas sagen? «
    » Erst verlieren wir die Lumina «, murmelte Libuse trostlos , » und nun auch noch Favola selbst. «
    » Nein! «, widersprach Aelvin energisch. » So einfach ist das nicht! « Er würde jetzt nicht aufgeben. Nicht nach solch einem weiten Weg, nicht so kurz vor ihrem Ziel. Um Favolas willen.
    » Sie ist in einem Traum gefangen «, sagte Albertus, als könnte er hinter Favolas Augen blicken. » Und ich weiß nicht, wie wir sie wecken könnten. «
    » Ohrfeigen? «, schlug Sinaida vor, die wie immer am sachlichsten blieb.
    Albertus ’ Kopf ruckte hoch. » Das hier ist keine Ohnmacht! Du solltest Favola nicht unterschätzen. «
    » Irgendeinen Weg muss es doch geben «, sagte Libuse.
    » Einen, vielleicht «, antwortete der Magister nach kurzem Überlegen, doch seine Stimme klang dabei so tief und unergründlich, dass Aelvin erneut eine Gänsehaut bekam. » Wenn etwas sie innerlich derart aufwühlen würde, dass sie davon in die Wirklichkeit zurückgerissen würde … Es wäre nur ein Versuch, und ich weiß nicht – « Mit einem Kopfschütteln brach er ab. » Aber vielleicht ist das keine gute Idee. «
    » Wir berühren sie! «, entfuhr es Aelvin. » Wir … wir zeigen ihr unsere Tode. Alle gemeinsam. «
    Libuse und Sinaida schwand der Rest von Farbe aus den Gesichtern. Dann aber war es Libuse, die sich als Erste fasste, an Favolas Seite trat und neben ihr in die Knie ging. Sinaida folgte ihr nach kurzem Zaudern. Die beiden Frauen kauerten nun zur Linken des bewusstlosen Mädchens, die beiden Männer zu ihrer Rechten.
    » Es ist gefährlich «, warnte Albertus.
    » Gefährlicher, als sie ganz zu verlieren? «, gab Libuse bitter zurück.
    Aelvin wartete nicht mehr auf die Entscheidung des Magisters. Er hob Favolas rechten Arm und streifte ihr den dünnen Lederhandschuh ab. Libuse ergriff die linke Hand des Mädchens und entblößte sie ebenfalls.
    Albertus murmelte ein Gebet. Aelvin fiel flüsternd mit ein, dann Sinaida. Libuse, die den Wortlaut nie hatte lernen müssen, schloss die Augen und konzentrierte sich. Aelvin sah Schweißperlen auf ihrer Stirn. Er fühlte sich ihr so nah wie niemals zuvor, nicht einmal in jener Nacht vor zwei Tagen, allein mit ihr unter den Sternen. Selbst zu Albertus und Sinaida spürte er tief in seinem Inneren eine neue Art vo n B indung; da war etwas, das sie in diesem Augenblick zusammenschmiedete zu einem einzigen Wesen, einem einzigen Geist.
    Zu zweit nahmen sie je eine von Favolas Händen und hielten sie fest zwischen ihren eigenen.
    Schweigend vertrauten sie Favola ihre Tode an.
    *
    Mehrere Atemzüge lang geschah überhaupt nichts. Favola zeigte keine Regung. Ihr Gesicht blieb bleich und reglos wie zuvor, als läge sie in einem tiefen Schlaf. Aelvin löste widerwillig seinen Blick von ihr und sah Libuse an, die unsicher mit den Schultern zuckte.
    » Wartet «, flüsterte Albertus.
    Favolas Hand war sehr kalt unter Aelvins Fingern. Ihre Haut fühlte sich trocken und rau an.
    » Da! «, entfuhr es Sinaida.
    Unter den Lidern bewegten sich Favolas Augäpfel, zuckten von einer Seite zur anderen, als stürme eine solche Vielzahl von Bildern auf sie ein, dass sie nicht wusste, wohin sie zuerst schauen sollte. Ein Zittern durchlief ihren Körper, erst kaum merklich, dann immer heftiger.
    Von einem Herzschlag zum nächsten bäumte ihr Körper sich auf, so stark, dass nur noch ihre Schultern und Füße die Decken berührten.
    » Nicht loslassen! «, rief Albertus.
    Favolas Lippen öffneten sich, ihr Mund klappte weit auf, aber es löste sich kein Schrei aus ihrer Kehle.
    » Sie hat Schmerzen! «, entfuhr es Aelvin.
    Sinaida war noch blasser geworden als die Novizin. Sie wollte

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