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Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies

Titel: Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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sich auf die Zinnen des Turmes zurückgezogen und war nun wieder auf dem Weg nach unten.
    » Vater, ich will mit dir reden «, sagte sie laut, halb in der Erwartung, als Antwort die Tür seiner Schlafkammer schlagen zu hören.
    Die polternden Schritte kamen näher, wurden noch schneller. Er nahm immer zwei Stufen auf einmal.
    » Dieser vermaledeite Pfaffe! «, brüllte er, als er um die Ecke kam. In der einen Hand hatte er sein Schwert, die leere Scheide in der anderen. » Dieser Dummkopf hat die Wahrheit gesagt. «
    So?, dachte sie. Und?
    » Sie kommen! « Corax stürmte kurzerhand an ihr vorüber, ohne ihr mehr als einen flüchtigen Blick zu schenken. » Die Reiter … der Bluthund des Erzbischofs … sie sind auf dem Weg hierher. Ich habe sie gesehen. «
    Sie erwachte aus ihrer Erstarrung, verdrängte, was sie ihm hatte vorhalten wollen, und folgte ihm zur Tür. Als er sie aufriss, wehte ihnen eine Woge kalter Luft entgegen. Das Schneetreiben hatte zugenommen. Der Waldrand war kaum mehr auszumachen, ein vages dunkles Band, das sich wie ein Streifen Nacht durch das wirbelnde Grau zog. Es war früher Nachmittag, die Sonne stand irgendwo hoch über den Wolken, doch ihre Strahlen drangen nicht bis zur Erde herab.
    Ebenso gut hätte es bereits dämmern mögen, so düster war es dort draußen.
    » Du hast die jüngeren Augen «, sagte er und starrte verbissen in das wilde Schneegestöber. » Kannst du sie sehen? «
    Sie schüttelte den Kopf. » Wie viele hast du von oben gezählt? «
    » Mindestens sechs. Aber es könnten zehn sein. Oder noch mehr. Der verfluchte Schnee wurde mit einem Mal zu dicht. «
    » Vielleicht hält sie das auf. «
    Er schüttelte den Kopf. » Sie werden sich ein Dach wünschen, bei diesem Wetter. Und wie es aussieht, haben sie schon eines ausgemacht. « Er warf die Tür zu und hob den schweren Balken in die Aufhängungen. Feinde würden einen Rammbock benötigen, um ins Innere einzudringen.
    » Glaubst du, sie wissen, dass Albertus hier war? «, fragte sie, während sie ihm half, die hölzernen Klappen an den Innenseiten der Schießscharten im Erdgeschoss zu schließen und zu verriegeln.
    » Es steht zu befürchten. Und dann wird dieser Satan die richtigen Schlüsse ziehen. «
    » Dieser Mann, Vater, wie ist sein Name? «
    » Gabriel «, sagte er verächtlich. » Gabriel von Goldau. «
    Er begann, sich die Scheide umzugürten, schleuderte sie dann jedoch ungeduldig beiseite und rammte das Schwert mit der Spitze in den Holzboden neben der Tür. Dann eilte er hastig zu seiner Jagdarmbrust, die nicht weit entfernt an der Wand lehnte. Hastig kurbelte er die Sehne zurück und legte einen Bolzen ein.
    » Dein Bogen! «, rief er Libuse zu.
    Sie lief hinauf in ihre Kammer und kam wenig später mit dem gefüllten Köcher und ihrem Bogen zurück. » Werden sie uns angreifen? «
    » Gabriel wird verlangen, dass wir ihn einlassen. Ich fürchte, ein Nein wird er nicht akzeptieren. «
    Vor der Tür ertönten Rufe. Das Schneetreiben schluckte das meiste, dennoch drang schwach die Stimme eines Mannes durch die Wand.
    » He da! «
    Libuse sprang zur Tür. » Ich werde ihnen sagen, ich sei allein zu Hause, und mein Vater habe mir verboten, Fremde zu bewirten. «
    » Ein Mädchen ganz allein? «, entgegnete Corax bitter. » Das wird erst recht dafür sorgen, dass sie die Tür aufbrechen. «
    Er schüttelte mit Nachdruck den Kopf und wandte sich zur Treppe. » Komm mit! «
    Bald darauf kletterten sie durch die Luke auf das Dach des Turmes. Eine unheimliche Stille lag über der Lichtung. Noch immer ließ sich der Waldrand nur erahnen.
    Dann wurde die Ruhe erneut durchbrochen. » Ihr habt nichts zu befürchten «, rief der Anführer der Männer. » Nicht einmal du, Corax von Wildenburg. «
    Corax murmelte etwas, einen Fluch vielleicht, doch Libuse verstand es nicht – als hätte er es in einer fremden Sprache gesagt. Er beugte sich über die hölzernen Zinnen, und sie tat es ihm gleich.
    » Gabriel! «, brüllte Corax in die Tiefe. » Was willst du? «
    Libuse konnte die Männer auf ihren Pferden kaum erkennen, sie waren nicht mehr als Schemen inmitten des Schnees. Acht Reiter zählte sie. Hier und da schimmerte Eisen.
    Alle hoben den Kopf. Einer, der einen kräftigen Schimmel ritt, hob die Rechte zum Gruß. » Du hast also vernommen, dass wir in der Nähe sind. Macht es dir etwas aus, mir zu verraten, wer dir von uns erzählt hat? «
    » Ihr wart schwerlich zu übersehen. Der ganze Wald ist in Aufruhr. Seit zwei

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