Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies
Schlägen beiseite und packte mit der Linken dessen Schwertarm.
Einen Augenblick lang standen die beiden Männer dicht beieinander. Libuse sah Gabriel noch immer nur von hinten. Ihr Herz hämmerte in einem stolpernden Stakkato, als sie begann, die Kämpfenden in einem weiten Bogen zu umrunden, rückwärts an der Wand entlang. Keiner der beiden hatte sie bislang bemerkt, ihre Blicke waren ineinander verbissen wie schnappende Raubtiere.
» Du kommst hierher, nach all den Jahren «, presste Corax eisig hervor, » und du wagst es, mein Kind und mein Haus zu bedrohen? Das wagst du, Gabriel von Goldau? «
Sein Feind stieß das Knie vor, verfehlte sein Ziel, brachte Corax aber für einen Herzschlag aus dem Gleichgewicht. Der Griff des Älteren um Gabriels Arm gab nach, gerade lange genug, dass es diesem gelang, sich zu befreien. Mit einem Keuchen setzte der Scherge des Erzbischofs zurück, Corax hinterher, und wieder schlug Eisen auf Eisen. Funken irrlichterten durch die Halle, gefolgt von einem Schweif aus Licht, als sich die Flammen des Kamins auf den wirbelnden Schwertern spiegelten.
Von Kind an hatte Corax Libuse in der Kunst des Schwertkampfs unterwiesen, mit Holzknüppeln, draußen auf der Lichtung, doch sie hatte stets dem Bogen den Vorzug gegeben. Nun aber, da sie ihren Vater seit langem wieder kämpfen sah – das letzte Mal lag Jahre zurück, und seine Gegner waren ein paar abgehalfterte Räuber gewesen –, erkannte sie auf Anhieb jede seiner Techniken. Im Gegensatz zu Gabriel, der grob zu Werke ging – keineswegs ungeschickt, ganz im Gegenteil, und doch immer auf pure Körperkraft ausgerichtet, eine Abfolge berechenbarer Hiebe und Blockaden –, pflegte Corax einen Kampfstil, den er sich während seiner Jahre in der Fremde angeeignet hatte.
Die Attacke des doppelten Anlaufs.
Den Angreifer zurückweichen lassen und scheinbar nachsetzen, innehalten, den Gegner unachtsam werden lassen und dann umso heftiger zuschlagen.
Der Hieb des überfließenden Wassers .
Die Kraft für den einen, vernichtenden Schlag aufsparen und dann ganz plötzlich und mit aller Macht nach vorn ausbrechen.
Der Schwert gewordene Leib.
Die Waffe des Feindes beiseite prellen, dann jedoch nicht mit der Klinge, sondern mit dem ganzen Körper nachrücken, den anderen aus dem Gleichgewicht bringen und anschließend wieder mit dem Schwert bedrängen.
Der Feuersteinfunkenhieb.
Die Klingen verbissen aufeinander pressen und kraftvoll zuschlagen, ohne die eigene Waffe auch nur um Haaresbreite zurückzuziehen und von der des Feindes zu lösen.
Ihr Vater hatte Libuse Dutzende solcher Kunstgriffe gezeigt, aber sie beherrschte nur die allerwenigsten zu seiner Zufriedenheit. Wofür, hatte sie stets gedacht, brauchte sie in den Wäldern das Schwert, wenn es niemanden gab, mit dem es zu kämpfen galt?
So plump einige von Gabriels Gegenangriffen wirkten, so wirkungsvoll waren sie doch auf Dauer. Corax ’ Stil gründete auf Eleganz und Schnelligkeit, beides Eigenschaften, für die er allmählich zu alt wurde. Gabriel hingegen vertraute allein auf die Wucht seiner Schläge und die Flinkheit seiner Arme. Und dies, das wurde bald deutlich, ließ ihn mehr und mehr die Oberhand gewinnen.
Zum ersten Mal sah Libuse nun sein Gesicht. Erst nur sein linkes Profil, und sie war erstaunt, wie jung er wirkte. Seine Züge waren sehr schmal, sein Gesicht womöglich eine Spur zu lang, um schön zu sein. Der Rücken seiner Nase war beinahe so scharf wie sein Schwert, doch das machten seine Augen wett, die in hellem, fast weißlichem Blau erstrahlten, dunkel eingefasst von den Rändern der Iris und, darüber, die geschwungenen, nahezu schwarzen Brauen.
Als er sich bewegte, sah sie, dass seine rechte Gesichtshälft e g ezeichnet war von einem dunkelroten Feuermal, das sich wie eine Wasserpflanze mit lang gestreckten Tentakeln an seine Wange klammerte. Schaudernd dachte Libuse, dass in seinem Antlitz Engel und Teufel miteinander rangen.
Sie war drauf und dran, sich von hinten auf den Fremden zu stürzen, mit dem Schürhaken für den Kamin oder was auch immer sie zu packen bekäme. Doch Corax erkannte ihre Absicht und schüttelte kaum merklich den Kopf in ihre Richtung.
Tu es nicht.
Aber sie dachte nicht daran, mit anzusehen, wie er dem Fremden unterlag. Mit wenigen Sätzen hastete sie hinüber zu dem Holzblock, wo sie und ihr Vater die Jagdbeute zerteilten oder Brotfladen formten. Sie packte ein langes Messer, grob geschmiedet und nicht für den Kampf gemacht,
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