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Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies

Titel: Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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fremdartige Wortgebilde, die die Wälder Libuse eingegeben hatten. Meist waren sie ihr unverhofft in den Sinn gekommen, während sie die Bestandteile einzelner Masken aufgesammelt oder zusammengesetzt hatte. Nie gab es mehrere Namen zur Auswahl, immer war ihr der eine, richtige eingefallen und hatte keinen zweiten neben sich geduldet.
    Doch eine Antwort auf ihre Frage gaben sie ihr heute nicht.
    Libuse streifte ihre Stiefel ab und schlich barfuß die Stufen zur nächsten Etage hinab. Die Türen zu den beiden Kammern ihres Vaters waren angelehnt, aus einer blies ihr ein kalter Luftzug entgegen. Sie strich ihr Haar zurück, zögerte kurz, dann huschte sie weiter nach unten. Sie wusste genau, bis zu welcher Stufe sie gehen durfte, um von der Halle aus unentdeckt zu bleiben. Dort verharrte sie und lauschte.
    » … nicht mehr im Dienste des Erzbischofs «, hörte sie Gabriel sagen. » Zum guten Schluss ist es mir genauso ergangen wie dir. «
    Corax knurrte verächtlich. » Für mich hatten sich die Dinge geändert, als ich aus dem Heiligen Land zurückkam. «
    » Es heißt, du seiest damals sehr viel weiter gekommen als nur bis ins Heilige Land. «
    » Die Leute reden viel. «
    » Ja, vielleicht. «
    Noch immer fand Libuse die Stimme des fremden Ritters unverhofft warm und freundlich. Sie hatte Drohungen erwartet, heimtückische Versuche, ihren Vater einzuschüchtern. Stattdessen klang es, als plauderten die Männer über alte Zeiten.
    » Ich möchte dir danken, dass du mich eingelassen hast. Wir waren zuletzt keine Freunde, Corax. Gerade deshalb weiß ich deine Hilfe zu schätzen. «
    » Hilfe? Ich kann dir keine Hilfe geben. «
    Libuse ließ sich lautlos auf der nächsthöheren Stufe nieder. Sie hätte gerne einen Blick auf den Besucher geworfen, sie wollte sein Gesicht sehen. Was für eine Art Mensch war er? Durch das Schneetreiben hatte sie nicht einmal erkennen könne, ob er groß war oder klein, breitschultrig oder hager. Aber der Name Gabriel in Verbindung mit dieser Stimme machte es beinahe unmöglich, sich ein unangenehmes, gar hässliches Äußeres vorzustellen.
    » Albertus von Lauingen ist hier gewesen, nicht wahr? « Die Worte des Fremden waren eine Feststellung, keine Frage.
    » Was sollte er hier wollen? «
    » Hatte er das Mädchen dabei? «
    » Was für ein Mädchen? «
    » Eine Novizin. Klein, mager, mit kurzem schwarzem Haar. «
    » Ich habe keine Novizin gesehen, Gabriel. «
    So ging es eine Weile hin und her, bis der Besucher für eine Weile in Schweigen verfiel. Dann sagte er: » Dein Turm wird brennen, Corax. Und du mit ihm. Deine Tochter werde ich meinen Männern vorwerfen und danach meinen Hunden. «
    All das sprach er im selben freundlichen Tonfall, ohne laut zu werden oder schärfer zu klingen. Seine Stimme schmeichelte auch jetzt noch dem Ohr, ganz gleich, was er sagte. Libuse hielt verwirrt die Luft an.
    Holz schepperte, plötzlich polterten Schritte. Einen Atemzug lang herrschte Stille, dann hieb Stahl auf Stahl, mit hellem Klirren, das durch alle Winkel des Turmes vibrierte. Libuse federte mit einem zornigen Schrei auf die Beine, rannte die letzten Stufen hinunter und sprang in die Halle.
    Ihr Vater und der Mann standen sich breitbeinig gegenüber. Beide hielten ihre Schwerter in Händen. Gabriel presste seine Linke auf den rechten Oberarm; Blut rann zwischen seinen Fingern hervor, wo Corax ’ Schwert ihm eine Schnittwunde zugefügt hatte. Sie konnte nicht tief sein, nicht einmal besonders schmerzhaft, denn bald ließ er die Verletzung unbeachtet und ging sogleich zum Angriff über.
    Noch immer wandte er Libuse den Rücken zu. Blondes Haar fiel ihm lang über die Schultern und glänzte im Schein des Kaminfeuers so golden wie der Faden, mit dem der Stoff seines weinroten Umhangs abgesetzt war. Er war nur wenig kleiner als Corax und trug im Gegensatz zu ihm einen eisernen Harnisch.
    Erneut prallten die Klingen aufeinander. Corax fing die Hiebe seines Gegners ab und schleuderte den Mann zurück, doch was im ersten Moment wie eine Schwäche Gabriels erschien, erwies sich gleich darauf als Finte. Noch im Rückzug machte er einen Satz zur Seite, tauchte unter einem zweiten Schlag des alten Kämpen hinweg und stieß in einer schlangengleichen Bewegung die Klinge nach vorn.
    Hätte Corax einen Schritt zu viel gemacht, hätte er sich selbst auf dem Schwert seines Gegners aufgespießt. So aber wurde nur sein Lederwams geritzt. Schon sprang er zurück, prellte Gabriels Klinge mit zwei schnellen

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