Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies
umzusetzen. Er dachte nach.
» Albertus hat mich gebeten, ihn nach Köln zu begleiten «, fuhr Corax fort, nun noch eindringlicher, als er sah, dass seine Worte die erhoffte Wirkung erzielten. » Er hat gehofft, ich käme mit, weil ich Konrad kenne – und seine Schergen. Verdammt, Gabriel, ich weiß, wie ihr vorgeht, weil ich die meisten von euch ausgebildet habe. Er dachte, mit meiner Hilfe könnte er euch immer einen Schritt voraus sein. « Er hob die Schultern, als gäbe es nichts mehr zu sagen. » Ich habe abgelehnt. Das ist alles. Ich habe mich schon vor langer Zeit für ein Leben hier draußen entschieden, und kein Prediger der Welt wird mich dazu bringen, das aufzugeben. «
Libuse wusste, dass es ihrem Vater mit diesen Worten ernst war. Albertus ’ Reise nach Köln mochte eine Lüge sein, doch das, was er über das Leben im Wald sagte, kam aus tiefster Überzeugung.
Vermutlich fiel Gabriel deshalb darauf herein. » Nun gut «, sagte er. » Vielleicht ist das wirklich die Wahrheit. Zuzutrauen wäre es diesem alten Narren allemal. Obwohl du Unrecht hast: Alle Häuser der Dominikaner in Köln stehen unter Beobachtung. Albertus würde nie dort ankommen. «
» Ihr könnt nicht jedem Dominikaner, der in die Stadt hineinwill, die Kapuze vom Kopf ziehen. «
» Wir könnten noch ganz andere Dinge tun «, entgegnete Gabriel böse.
» Lass Libuse gehen. Ich habe dir alles gesagt, was ich weiß. «
Gabriel rührte sich nicht. Die Hand an ihrer Kehle war unnachgiebig wie aus Stein. » Heb das Schwert an der Spitze vom Boden und wirf es ins Feuer. « Corax gehorchte. Die Klinge verschwand inmitten der Flammen. » Und nun nimm das Seil dort drüben, setzt dich auf den Stuhl, zieh deine Stiefel aus und fessle deine Füße an die Stuhlbeine. Langsam, damit ich den Knoten sehen kann. «
Libuse fing einen Blick ihres Vaters auf, als er zu dem Seil hinüberging, das in weiten Schlaufen an einem Nagel in der Wand hing. Er nahm es herunter, ging zu einem der Stühle am Esstisch, drehte ihn so, dass er sich mit Blickrichtung auf Gabriel und Libuse darauf setzen konnte und begann seine Unterschenkel kurz über den Knöcheln an die Stuhlbeine zu binden.
» Fester anziehen! «, befahl Gabriel.
Corax zurrte die Schlaufen und Knoten so eng zusammen, dass sie tief in die Haut einschnitten. Dann sah er Gabriel finster an.
» Gut «, sagte dieser.
» Gib sie frei! «
Libuse spürte, wie das Schwert sich senkte. Der Griff um ihren Hals wurde noch einen Augenblick länger aufrecht gehalten, dann ließ Gabriel locker.
Das war der Moment, auf den sie gewartet hatte.
» Nein! «, brüllte ihr Vater.
Sie wirbelte herum, tauchte zugleich unter Gabriels Hand hinweg – und schlug ihm mit aller Kraft ins Gesicht. Sie traf das Feuermal und erwartete halbwegs, dass es weich und schwammig sein würde. Tatsächlich aber stieß sie auf seinen harten Wangenknochen. Es war, als hätte sie auf Fels geschlagen; plötzlich fühlte es sich an, als wäre jeder Finger ihrer Hand gebrochen.
Der Hieb überraschte Gabriel. Libuses Faust sandte ihn nicht zu Boden, verletzte ihn nicht einmal. Doch für wenige Herzschläge geriet er so aus der Fassung, dass er stutzte, bevor er versuchte, das Schwert hochzureißen. Da aber schlug Libuse so heftig gegen Gabriels verwundeten Arm, dass ihm das Schwert aus der Hand fiel und zu Boden schepperte.
» Libuse! «, rief ihr Vater erneut, doch sie achtete nicht darauf. Stattdessen rammte sie ihr Knie so tief zwischen Gabriels Beine, dass der Schwung sie mit ihm zu Boden warf, auf ihn drauf, und sie fluchte über ihr Missgeschick und triumphierte zugleich, weil sie sein schmerzverzerrtes Gesicht aus nächster Nähe sah.
Ohne nachzudenken riss sie den Mund auf und biss mit aller Kraft in sein Gesicht, direkt in das dunkle Feuermal.
Sein Schrei musste durch die Wände, den Schnee, bis zum Waldrand zu hören sein. Etwas traf Libuse wie ein Hammer, dann verlor sie jedes Empfinden für oben und unten, hatte das Gefühl, zu fliegen – und krachte mit der Hüfte gegen die große Truhe, drei Schritt entfernt von der Stelle, an der sie und Gabriel zu Boden gegangen waren.
Alles drehte sich in ihrem Kopf. Stimmen brüllten durcheinander. Etwas rammte von außen gegen die Wand, die Tür, vielleicht auch nur gegen ihren Kopf oder etwas, das sich darin befand. Hände schienen ihren Verstand zu packen und auszuwringen wie ein nasses Tuch, und der Schmerz in ihrem ganzen Körper ließ sie aufschreien. Ihr Mund war voller
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