Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies
Blut , nicht das ihre, sondern aus dem aufgeplatzten Mal: Gabriels Blut. Sie spuckte es aus, zweimal, dreimal, dann floss Licht von allen Seiten in ihr Blickfeld, und sie konnte wieder sehen und die Laute in ihrem Schädel auseinander halten.
Die Stimme, die am lautesten brüllte, gehörte ihrem Vater. Er rief ihren Namen, dann den Gabriels. Und, bei Gott, ja, er flehte.
Flehte um ihr Leben.
» Kleine Hure! «, fauchte Gabriel ganz nah an ihrem Gesicht. Er stand über sie gebeugt, hielt sich mit der Linken noch immer den Unterleib. Sein Gesicht war blutverschmiert, der Umriss des Feuermals kaum auszumachen; es sah aus, als hätte sich der scheußliche Fleck über seine ganzen Züge ausgebreitet.
In der rechten Hand lag sein Schwert, und die Spitze zeigte auf Libuses Brust. Wenn er jetzt nach vorne fiel, geschwächt wie er war, dann würde er sie aufspießen. Worauf es vermutlich ohnehin hinauslief.
» Verreck doch, du Schwein! «, spie sie ihm mit seinem eigenen Blut entgegen.
Das Schwert wurde zurückgezogen – wieder sah sie alles so langsam, als geschähe es unter Wasser –, und dann traf sie ein Fußtritt, der ihren Bauch schier explodieren ließ. Ein brüllender Schmerz schien sie zu zerreißen, ihr wurde schwarz vor Augen, und womöglich wurde sie für einen Augenblick bewusstlos.
Es war ein langer Augenblick. Als sie die Lider wieder hob, sah sie als Erstes ihren Vater mit herabhängendem Kopf auf dem Stuhl sitzen, jetzt auch am Oberkörper gefesselt. Aus einem Mundwinkel tropfte roter Speichel auf seine Brust. Aber er bewegte sich wie im Schlaf und stöhnte leise. Er lebte.
Sie selbst lag auf dem Boden unweit des Kamins, mit dem Kopf zum Feuer, genau zwischen den beiden Stühlen, auf denen heute Morgen Albertus und ihr Vater gesessen hatten.
Ihre Beine waren weit gespreizt und an den Knöcheln gefesselt, mit Stricken, die zu schweren Nägeln führten, die Gabriel in den Holzboden geschlagen hatte. Auch ihre Arme waren abgewinkelt und irgendwo festgebunden. Sie konnte sich aufbäumen, auch wenn es wehtat, aber sie kam nicht los, so sehr sie auch zog und zerrte.
Die nahen Flammen verströmten Wärme. Als sie an sich hinabblickte, sah sie, dass sie nackt war – was da im Kamin brannte, waren die Fetzen ihrer Kleidung. Ihren Bauch verunzierte eine dunkle Prellung, groß wie ein Kindskopf und rotblau angelaufen. Sie wunderte sich benommen, dass sie nichts davon spürte, bis der Schmerz sie ganz unvermittelt überfiel, und dann war es, als wühlte eine Hand in ihren Eingeweiden.
Draußen vor der Tür waren scharrende Schritte zu hören. Knirschendes Eisen. Pferdegewieher.
Gabriel ließ seine Männer nicht ein, ehe er nicht alles vorbereitet hatte. Keine Blöße, kein Zeichen von Schwäche. Wenn er die Tür öffnete, würde er Sieger sein.
Sie entdeckte ihn neben dem Eingang, eine Hand auf dem schweren Riegel, und er lächelte verzerrt zu ihr herüber, halb Cherub, halb Dämon. Das Blut hatte er notdürftig abgewischt, aber noch immer klebten Reste wie dunkle Spinnennester in seinem langen, blonden Haar.
» Du bist wach «, sagte er. » Gut. «
Das war alles. Sonst nur sein Lächeln.
Corax stöhnte wieder. Er stemmte sich gegen die Seile, hob aber nicht den Kopf. Die Bewegung war ein Reflex, wie Schritte eines Schlafwandlers. Er war noch nicht gänzlich zu sich gekommen, und Libuse betete, dass es so bliebe. Er sollte das hier nicht mit ansehen.
Angst erstickte ihr Denken, Scham und Übelkeit stiegen in ihr auf. Sie wusste, was geschehen würde. Sie lebte einsam hier draußen im Wald, sah nur selten andere Menschen, abe r s ie wusste es. Ihr Vater hatte sie gewarnt, dass manchmal Männer durch die Wälder zögen, die versuchen würden, ihren Körper zu besitzen, und sei es mit Gewalt.
Ich kann dich nicht immer beschützen, hatte er gesagt.
Sie hatte gelächelt und abgewinkt. Er war immer für sie da, sie konnte sich an keinen Tag ohne ihn erinnern. Und dann war da ja auch noch sie selbst. Sollten die Männer es nur versuchen, hatte sie gedacht. Sollen sie kommen und sich blutige Köpfe holen.
Nun waren sie da. Und niemand schützte Libuse vor ihnen, nicht einmal Nachtschatten. Gabriels Blut klebte noch immer an ihren Zähnen, aber auch das machte ihr keine Hoffnung.
Corax murmelte etwas. Riss den Kopf hoch und die Augen auf.
Das Feuermal schwamm auf Gabriels Gesicht wie eine blutrote Alge.
» Nein «, flüsterte Corax.
Nackte Angst verschleierte Libuses Blick. Sie dachte verzweifelt an das
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