Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies
» Ich bin nur die Schwester von Hulagus Weib. «
» Du könntest mehr sein als das. Viel mehr. «
» Ich verstehe nicht. «
» Du könntest Khur Shahs Weib sein. «
Nun mangelte es ihr tatsächlich an Worten. Was er da vorschlug … allein der Gedanke …
» Wie kannst du es wagen – «
» Denk nach, Prinzessin! «, forderte er eindringlich. » Hulagu wird dich so oder so mit jemandem verheiraten, ob du es willst oder nicht. Und du könntest es schlimmer treffen. Willst du die Mätresse irgendeines fetten Sultans werden? Eines Kreuzfahrerfürsten? Oder das mandeläugige Juwel im Harem des Kalifen von Bagdad? «
» Khur Shah ist der Fürst der Mörder! «
Kasim nickte. » Ebenso wie ich ein Mörder bin. Oder Hulagu. Deine Schwester hat einen tausendfachen Mörder geheiratet. Was macht das für einen Unterschied? Und ich habe dir erklärt, dass Khur Shah anders ist als die früheren Alten vom Berge. Er ist jung und dem Frieden gegenüber aufgeschlossen. « Er zögerte kurz, dann fuhr er fort: » Mohammed, sein Vater, war ein Wahnsinniger. Unter ihm hätten die Nizaris einander beinahe selbst ausgerottet. Khur Shah hat das nicht zugelassen. «
» Ich weiß. Er hat seinen eigenen Vater getötet. «
» Khur Shah hat wegen eines läppischen Widerworts mehrere Jahre im Verlies seines Vaters verbracht. Von dort aus hat er einen der engsten Diener Mohammeds zu dem Mord angestiftet, das ist wahr. «
Sie lachte ihn aus. » Und du erwartest, dass ich einen Vatermörder zum Mann nehme? «
» Er hat dadurch hunderten, vielleicht tausenden Nizaris das Leben gerettet. Hätte er Mohammed nur ein Jahr früher beseitigt und sich nicht so lange mit Zweifeln geplagt, hätte es keinen Anschlag der Nizaris auf den Großkhan der Mongolen gegeben. Dieser ganze Krieg hier « – er deutete mit einer Bewegung seines Arms über die windumtosten Berge – » hätte niemals stattfinden müssen. Erkennst du jetzt die bittere Ironie? Khur Shah hat seinen Vater ermorden lassen, um die Nizari s z u retten, doch alles, was er bewirkt hat, war ein Aufschub von wenigen Jahren. Durch das Attentat auf den Großkhan hatte Mohammed den Untergang der Nizaris bereits eingeleitet. Niemand hätte das Ende damals noch aufhalten können – auch nicht Khur Shah. «
Etwas in seinen Worten berührte sie auf seltsame Weise. Sie wollte es nicht zulassen, wollte sich dagegen sperren – doch gänzlich gelang es ihr nicht. Vielleicht war es die Tragik, die in der Geschichte Khur Shahs mitschwang.
» Und noch etwas «, sagte er mit verhaltenem Lächeln. » Khur Shah ist ein gut aussehender Mann. «
» Das ist nicht – «, brauste sie auf, doch er unterbrach sie erneut: » Und er besitzt als Einziger den Schlüssel zum Garten der Nizaris. « Kasim deutete auf seine Schläfe. » Hier oben, in seinem Kopf. Nur der Alte vom Berge darf den Garten betreten. Und jene, denen er bedingungslos vertraut. «
Es dauerte nur einen Atemzug, ehe sie begriff, welches Eingeständnis sich hinter diesen Worten verbarg. » Du warst dort, hast du gesagt! Du hast den Garten mit eigenen Augen gesehen. Das heißt … « Sie federte zurück, zutiefst empört und doch auch sonderbar ergriffen. » Du bist kein einfacher Nizari! Und du bist nicht hier, weil du deine Leute verraten hast! «
» Nein «, sagte er leise, ohne ihrem Blick auszuweichen. » Du bist hier … wegen mir! Im Auftrag Khur Shahs! «
Kasim erhob sich, verbeugte sich demütig vor ihr und sagte: » Ich bin hier, Prinzessin Sinaida, um im Namen des Herrschers der Nizaris um deine Hand anzuhalten. «
BURG ALAMUT
A u f den Zinnen der Festung Alamut standen Khur Shah und sein Berater Shadhan und beobachteten das Heer ihrer Feinde.
Der Wind wehte aus den Tälern herauf und trug den Lärm der mongolischen Streitmacht an ihre Ohren: das Raunen Zigtausender Stimmen; das Gewieher der kleinen, struppigen Pferde; das Klirren von Klingen, mit denen sich die Krieger während ihrer Übungen maßen; und das Hämmern auf Stahl in den Essen der Schmiede. All dies vermischte sich zu einem Brei aus Geräuschen, einem Tosen und Brüllen, wie es niemals zuvor von den stillen Bergen widergehallt war.
» Glaubst du, Kasim wird sie überreden können? «, fragte Khur Shah, während er ins Tal blickte. Er stellte sich diese Frage zum tausendsten Mal, doch seit Kasims Aufbrach sprach er sie nun zum ersten Mal laut aus.
Shadhan, ein hagerer Mann in bodenlangem Kaftan und einem Überwurf aus Fellen, rührte sich nicht. Sein
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