Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies

Titel: Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
Vom Netzwerk:
Orten galten: Vor ihrer Abreise hatten sie trockenes Holz in der Feuerstelle aufgeschichtet. Albertus sagte, es käme immer seltener vor, dass jemand diese Regel achte; auch si e s elbst würden am nächsten Morgen frisches Holz suchen und für kommende Reisende im Kamin bereitlegen.
    Libuse dachte, dass der nächste Reisende, den es hierher verschlagen würde, durchaus Gabriel sein mochte, doch sie verkniff sich den Einwand. Im Augenblick kümmerte sie nichts außer dem Wunsch nach Wärme. Sie fror erbärmlich, trotz ihrer Schaffellweste, den dicken Wollstrümpfen und den hohen Stiefeln unter ihrem Kleid. Im Nachhinein erstaunte es sie selbst, mit welcher Selbstverständlichkeit sie noch warme Sachen für sich und ihren Vater zusammengesucht hatte, wie gelenkt von einer fremden Hand, bevor sie Richtung Kloster aufgebrochen waren. Libuse hatte dort um Hilfe für Corax ’ Verletzungen bitten wollen, doch er hatte sie gewarnt: » Sieh erst von weitem nach dem Rechten «, hatte er gesagt, » und halte dich dabei vom Pfad fern. « Widerwillig hatte sie Corax in der Senke zurückgelassen und war auf einem Umweg zur Schlucht gelangt – gerade rechtzeitig, um die Zerstörung des Aquädukts mit anzusehen.
    Eine halbe Stunde später, und sie hätten Albertus und die beiden Novizen verpasst. Eine Fügung? Ein Fluch? Vorerst war sie froh, dass sie nun doch noch an der Seite des Magisters nach Süden reisten. Die Entfernung zum Turm und den Ereignissen, die dort stattgefunden hatten, tat ihr gut, obgleich auch sie nicht den Schmerz lindern konnte. Zudem hatte Libuse keineswegs vergessen, welche Geheimnisse Albertus über die Vergangenheit ihrer Eltern angedeutet hatte – und damit auch über ihre eigene.
    Als das Feuer im Kamin der Hütte endlich brannte und sie die Tür mit Holzkeilen gesichert hatten – einen Riegel gab es nicht, denn Schutzhütten wie diese standen jedermann offen –, packte Favola die Lumina aus ihrem Bündel und begoss sie mit Wasser, das Albertus zuvor geweiht hatte. Libuse sah mit Unverständnis, aber auch Neugier dabei zu.
    Schließlich begann Albertus zu erzählen.
    Er sprach von dem letzten überlebenden Gewächs des Garten Gottes. Er berichtete, dass Favola von der Lumina als deren Hüterin auserkoren worden sei. Und er beschwor die Wichtigkeit ihrer Reise, an deren Ziel … ja, neue Unschuld für die Menschheit stünde, wie er es nannte.
    Nichts als ein Haufen Wildschweinmist!, dachte Libuse und überlegte, was wohl aus Nachtschatten würde, wenn sie diese Wälder verließ und irgendwann die Wüsten erreichte oder gar das, was dahinter lag.
    Aber dann erinnerte sie sich an das Gefühl, das sie überkommen hatte, als Favola die Pflanze aus ihrem Bündel gezogen hatte. Da war etwas gewesen, eine seltsame Vertrautheit, die Ähnlichkeit hatte mit der Verbindung, die sie zu den alten Eichen spürte, und dem Zauber, der den Wurzeln innewohnte.
    Die Lumina war keine gewöhnliche Pflanze, das mochte wohl wahr sein. Aber ein Relikt aus dem Garten Gottes?
    Libuse war keine Christin, war nie zu einer erzogen worden, und ihr Glauben war der an die Macht der Bäume und Blätter und an die gestaltlosen Stimmen der Wälder. Sie glaubte an Wesen, die für all das verantwortlich waren, auch für das Erdlicht, aber sie war nicht sicher, ob Götter das richtige Wort dafür war. Ganz sicher glaubte sie nicht an einen Gott, an einen Schöpfer aller Dinge.
    » Ihr habt uns noch nicht verraten «, sagte Aelvin in Albertus ’ Richtung, » wie die Lumina aus dem Garten Eden in Favolas Kloster gelangt ist. «
    Sie saßen in einem Halbkreis ums Feuer und hatten vor sich ihre nassen Mäntel und Felle ausgebreitet. In Hose und Hemd, ohne die weite Kutte, sah der Novize nicht mehr gar so verweichlicht aus, dachte Libuse. Er war schlank, vielleicht ein wenig zu mager, aber seine Hände verrieten eine gewisse Kraft, von der er vielleicht selbst nichts ahnte.
    Der Blick des Magisters wanderte von einem zum anderen. Auf ihren Gesichtern flackerte der Schein des Kaminfeuers.
    » Das Land Eden und der Garten Gottes darin existieren nicht mehr «, sagte er nach einer Weile. » Doch die Lumina hat überlebt. Ganz allein hat sie die Jahrtausende überdauert, einsam inmitten einer weiten Öde, die alles ist, was seit dem Anbeginn der Zeit vom Paradies geblieben ist. Christus, unser Heiland, berichtete einem seiner Jünger von ihr, und nach dem Tod des Messias am Kreuz begab sich der Jünger auf eine Pilgerfahrt, um den Ort des

Weitere Kostenlose Bücher