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Das Büro

Das Büro

Titel: Das Büro Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.J. Voskuil
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autoritär! Wie kannst du jetzt sagen, dass er nicht autoritär ist!“
    „Mein Vater ist ein ganz verlegener, unsicherer, gehemmter Mann“, erzählte Maarten Frans, „der sich keinen Rat weiß, wenn er unter Menschen ist. Deshalb schaut er ständig böse und schnauzt jeden an, und dabei tut er so, als ob er alles besser wüßte, um das Gespräch so schnell wie möglich hinter sich zu bringen.“
    „Na, aber das ist doch schrecklich!“, sagte Nicolien.
    „Ja, aber darin ähnelt er, glaube ich, nicht dem Vater von Kafka.“ Er sah Frans an.
    „Keine Ahnung“, sagte Frans verlegen. „Ich habe es nicht gelesen.“
    „Wenn er Kafkas Vater ähnelt, dann weil er von der Angst besessen ist, dass seine Söhne sich gesellschaftlich nicht behaupten werden“, fuhr Maarten fort. „Das ist ein typisches Problem der zweiten Generation. Das Einzige, was für ihn zählt, ist, dass ich eine Doktorarbeit schreibe, Professor werde und aufsteige. Unvorstellbar, dass er mich fragen würde: Junge, was erwartest du dir eigentlich vom Leben?“ Seine Worte berührten ihn, zu seinem eigenen Missfallen. Er schlug die Augen nieder und blickte starr auf seinen Schnaps. „Unvorstellbar“, wiederholte er kopfschüttelnd.
    „Ja, das scheint mir tatsächlich kein besonders einfacher Vater zu sein“, murmelte Frans.
    Maarten sah ihn an. „Hat dein Vater das denn nicht?“
    „Nein“, sagte Frans verwirrt. „Eher meine Mutter. Eigentlich schäme ich mich für meinen Vater, glaube ich.“
     
    „Ich wollte dich noch bitten, Beerta nicht zu erzählen, dass ich bei euch gewesen bin“, sagte er verlegen, als er schon an der Tür war. „Erhat mir einen Brief geschrieben, aber ich habe eigentlich nicht viel Lust, ihn wieder zu besuchen. Verstehst du das?“
    „Ja, das verstehe ich“, sagte Maarten verwundert. „Ich werde es für mich behalten.“ Er sah zu, wie Frans sein Fahrrad aufschloss, ein Damenfahrrad. Es war still in der Gracht. Das Licht der Laternen schien friedlich über die Pflastersteine und das plätschernde Wasser. Die Gracht wurde gerade durchgespült. „Hier gibt es keinen Kies“, sagte er in die Stille hinein.
    „Nein.“ Frans lachte. „Kies erinnert mich, glaube ich, an einen Friedhof.“
    „Das gibt dir Ruhe“, verstand Maarten.
    „Ja, ich glaube schon. Also, gute Nacht!“ Er stieg auf sein Fahrrad und fuhr nach einer leichten Schlingerbewegung die Gracht hinunter.
    Maarten ging wieder ins Haus und schloss die Tür.
    „Wie fandest du es?“, fragte Nicolien.
    „Er ist jedenfalls ein intelligenter Bursche, aber so unsicher wie sonst was.“ Er dachte nach. „Und warum ich Beerta nicht erzählen darf, dass er hier gewesen ist, verstehe ich nicht.“
    *
    Ungefähr in der Mitte des Schlosses blieb der Schlüssel stecken, und so sehr er auch drückte und rüttelte, er bekam ihn nicht weiter hinein. Mit Mühe zog er ihn wieder heraus und ging missmutig in die Gasse und durch den Fahrradabstellraum. Als er von hinten herum zur Eingangstür zurückkam, traf er de Bruin in der Tür zu seinem Verschlag. „Was ist mit dem Schloss?“, fragte er.
    „Das Schloss wurde ausgetauscht“, antwortete de Bruin kühl.
    „Warum?“
    „Weil zu viele Leute einen Schlüssel hatten. Auftrag von Herrn van der Haar. So kann ich die Verantwortung nich’ mehr tragen.“
    Ohne etwas zu sagen, drehte Maarten sich um und ging über den Flur zurück in sein Zimmer. Beerta saß hinter seinem Schreibtisch und arbeitete. „De Bruin hat das Schloss austauschen lassen“, sagte er mit unterdrückter Wut.
    Beerta drehte sich um und sah ihn ernst an. „De Bruin hat sich bei van der Haar beschwert.“ Er zwinkerte nervös.
    „Warum um Himmels willen?“
    „Weil er findet, dass zu viele Leute einen Schlüssel haben. De Bruin fühlt sich verantwortlich.“
    „Aber das bestimmen doch Sie?“
    „Ja.“ Er sah ihn fest an. „Aber van der Haar ist ein mächtiger Mann.“
    „Kann ich Ihren Schlüssel haben?“
    Beerta zögerte. „Was willst du damit tun?“
    „Einen nachmachen lassen.“
    Es war offensichtlich, dass dies Beerta in einen Zwiespalt brachte.
    „Das sind doch Kommissmethoden“, sagte Maarten wütend. „Ich finde das bedrohlich.“
    Beerta drehte sich um, nahm einen Schlüssel von seinem Schreibtisch und reichte ihn Maarten. „Aber lass es de Bruin nicht merken“, sagte er mit schwacher Stimme.
    „Vielen Dank.“ Er drehte sich um und ging den Flur wieder zurück zur Eingangstür. De Bruin saß an seinem Tisch und

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