Das Büro
Kommissionszimmer.“
„Ich will dort auch wegen meiner Arbeit hin.“
Beerta wog das Argument nachdenklich. „Gut. Wenn du dann nur Buitenrust Hettema deine Aufwartung machst.“
„Ich werde natürlich Buitenrust Hettema
nicht
meine Aufwartung machen.“
„Warum nicht?“, fragte Beerta verwundert. „Wenn ich ein Museum besuche, lasse ich mich immer beim Direktor anmelden. Darauf legt so ein Mann Wert.“
„Weil ich nicht wegen Buitenrust Hettema dorthin gehe, sondern wegen des Museums.“
„Du bist ein Querkopf.“
„Ich bin kein Querkopf. Ich habe nur keine Lust, Buitenrust Hettema auf die Nerven zu fallen.“
„Du fällst Buitenrust Hettema nicht auf die Nerven. Er wird sich gekränkt fühlen, wenn er hört, dass du dagewesen bist, ohne ihn zu begrüßen.“
Maarten schwieg. „Ich werde sehen.“
Sie machten sich beide wieder an ihre Arbeit.
„Wann wolltest du ins Museum?“, fragte Beerta nach einer Weile.
„Morgen.“
„Morgen?“ Er drehte sich in seinem Stuhl um. „Geht es nicht nächste Woche?“
„Ich kann auch nächste Woche gehen“, sagte Maarten widerwillig.
Sie beschäftigten sich wieder einige Zeit mit ihrer Arbeit.
„Dann geh morgen“, sagte Beerta, „wenn du unbedingt morgen gehen willst.“
„Gut“, sagte Maarten.
De Bruin brachte den Tee. Beerta schob seinen Stuhl etwas zurück, nahm die Tasse in die Hand und rührte um. Maarten arbeitete einfach weiter. Er hatte die Karte des Aufhängens der Nachgeburt des Pferdes ausgerollt und betrachtete aufmerksam das Kartenbild.
„Ich denke, dass ich mal eine Woche Urlaub nehme“, sagte Beerta und sah vor sich hin. „Dann kann ich auch einmal wieder ein paar Museen besuchen.“
„In Rotterdam läuft gerade eine Ausstellung über mexikanische Kunst“, sagte Maarten, die Anspielung hinter der Bemerkung ignorierend.
„Mexikanische Kunst“, sagte Beerta mit einigem Grausen. Er sah Maarten an. „Soll ich dir mal was erzählen?“ Er hörte auf zu rühren.
Maarten lauschte.
„Aber das darfst du niemandem weitererzählen.“
Maarten schüttelte den Kopf.
„Ich bin so beschränkt“, sagte Beerta leise, die Silben einzeln betonend, „das interessiert mich nicht die Bohne!“
Maarten lachte. „Und die Ausstellung über etruskische Kunst?“
Beerta führte seine Finger an die Lippen. „Da bin ich nie gewesen“, er dämpfte seine Stimme, „aber das mochte ich niemandem erzählen.“ Er lächelte geheimnisvoll. „Aber wenn es eine Ausstellung über ein Dorf in Seeland geben würde“, sagte er wieder in normalem Ton, mit der Aufmerksamkeit bei seinem Tee, „dann würde ich sofort hingehen.“
*
In der deutschen und der niederländischen Literatur wurde das Aufhängen der Nachgeburt des Pferdes vom Ursprung her als ein Opfer an den germanischen Gott Wodan gesehen. Zu Maartens Überraschung schrieb fast die Hälfte der Korrespondenten, dass sie den Brauch kannten, doch als er ihre Antworten in die Karte eintrug, waren diese, genau wie bei der Frage nach den Wichtelmännchen, ungleichmäßig über das Land verteilt. In manchen Provinzen (Friesland, Drenthe, Gelderland, Utrecht und Zuid-Holland) kannte man ihn in fast jedem Dorf, in den übrigen kam er weniger oft vor, und in Limburg war er sogar nahezu unbekannt. Er zerbrach sich eine Weile vergeblich den Kopf darüber, bis er beim nochmaligen Lesen der Fragebogen entdeckte, dass die Nachgeburt, wenn sie nicht aufgehängt wurde, gelegentlich doch mit einigem Zeremoniell begraben wurde. Diese Entdeckung verursachte bei ihm eine fieberhafte Erregung, in der er in rasendem Tempo alle Berichte über das Begraben, Vernichten, an die Schweine Verfüttern und auf den Misthaufen Werfen mit in die Karte einzeichnete und sah, wie sich Limburg unter seinen Händen weiter vom Rest des Landes abzugrenzen begann. Während das Aufhängen, Begraben und Vernichten sich überall mehr oder weniger die Waage hielt, wurde in Limburg fast nur begraben. Noch bevor er, sich von Nord nachSüd arbeitend, Vaals erreicht hatte, ergriff ihn eine grenzenlose Begeisterung. Er blickte von der Karte hoch, auf Beertas Rücken. „Ich glaube doch tatsächlich, dass ich eine Kulturgrenze entdeckt habe“, sagte er mit kaum unterdrückter Freude.
„Schön“, sagte Beerta, ohne sich umzudrehen. „Siehst du wohl, dass es geht? Wenn du nur genügend Daten hast.“
„Wollen Sie sie sehen?“
„Ich werde sie mir gleich anschauen, wenn der Artikel fertig ist. Ich habe jetzt im Moment
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