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Das Büro

Das Büro

Titel: Das Büro Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.J. Voskuil
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nachdenkt, ist die Wissenschaft doch nichts anderes als ein einziges großes, von der Gesellschaft finanziertes Bordell, und nicht nur die Wissenschaft, sondern auch der ganze Beamtenapparat.“ Der Gedanke belustigte ihn. Er erinnerte sich an das Telefongespräch mit ’t Mannetje an einem der ersten Tage im Büro. „Nichts als ein einziger großer Bauernwagenverein.“
    „Du willst doch wohl nicht sagen, dass Beerta homosexuell ist?“, fragte Ansing.
    Maarten sah ihn erstaunt an. „Natürlich ist er homosexuell. Er wohnt doch auch mit Ravelli zusammen.“
    „Mit Ravelli?“, sagte Ansing erstaunt. „Dahinter habe ich nie etwasvermutet. Nein! Daran habe ich nie gedacht.“ Er legte die Hand auf die Brust. „Aber vielleicht, weil ich selbst nicht homosexuell bin?“
    „Wer weiß“, sagte Maarten skeptisch.
    Ansing ging ein Licht auf. „Jetzt verstehe ich auch, warum Ravelli mir erzählt hat, dass sechsundneunzig Prozent aller Männer bisexuell sind. Ich fand das eine ziemlich verrückte Geschichte. Na, dann gehöre ich sicher zu den vier Prozent, habe ich damals gedacht, denn dazu habe ich nun überhaupt keine Neigung.“
    Nicolien stand auf. „Ich muss in die Küche. Möchtest du vielleicht zum Essen bleiben?“
    „Na ja!“ Er richtete sich auf. „Ja, gerne! Aber ihr habt doch überhaupt nicht mit mir gerechnet?“
    *
    Maarten saß an der Schreibmaschine. Beerta war aufgestanden, mit dem Kaffee in der Hand. Er rührte langsam darin herum, drehte sich in Maartens Richtung und beobachtete ihn amüsiert, während er die Tasse zum Mund führte. „Du weißt doch Bescheid über die Sache mit Pietje Valkenburg?“ Er nahm vorsichtig einen Schluck.
    Maarten hörte auf zu tippen. „Ich habe davon gehört.“
    Beerta sah ihn an. „Du weißt doch einiges.“ Er schwenkte die Tasse langsam im Kreis. „Du weißt natürlich auch Bescheid über meine Verurteilung?“
    „Nein, wann war das?“
    Beerta zögerte. Es hatte den Anschein, als ob er diese Antwort nicht erwartet hatte. „1940.“
    „Und aus welchem Grund?“
    „Weißt du das wirklich nicht?“, fragte Beerta ungläubig.
    „Nein.“
    „Dann frage ich mich, ob ich es dir erzählen sollte.“ Er zögerte und blickt Maarten streng an. „Es ging um die Anschuldigung eines minderjährigen Jungen, dass ich gewisse Handlungen mit ihm verrichtet hätte, was natürlich nicht stimmt.“ Er blinzelte nervös.
    „Und warum hat man Sie dann verurteilt?“ Er verbarg ein wachsendes Unbehagen.
    Beerta zögerte erneut. „Es ist so kompliziert, das alles zu erzählen, dass ich nicht weiß, ob ich überhaupt damit anfangen sollte.“ Er schwieg einen Moment. „Wenn ich es erzähle, sage ich immer dazu, dass man einen Tag, eine Nacht und noch einen Tag zuhören muss, um alles zu verstehen.“
    „Das ist lang.“ Maarten zögerte, ob er sich wieder an die Arbeit machen sollte, doch da es ihm unhöflich erschien, sah er unschlüssig, mit den Fingern über den Tasten, vor sich hin.
    Beerta betrachtete ihn. „Es ist so, dass der Staatsanwalt, der den Fall vor Gericht gebracht hat, etwas gegen mich hatte und den Richter überzeugen konnte, obwohl der Psychiater, der als Sachverständiger gehört wurde, erklärte, dass ich so etwas unmöglich getan haben könnte, einfach, weil ich nicht so veranlagt bin. Ein unangenehmer Mensch übrigens, dieser Psychiater, ein harter Mann, aber was das betraf, hatte er jedenfalls Recht.“ Er schwieg.
    „Kannten Sie den Staatsanwalt denn?“, fragte Maarten, um die Stille zu beenden.
    „Nein, den kannte ich nicht.“ Er dachte nach. „Dann werde ich doch noch etwas mehr erzählen müssen.“ Er schwieg, offenbar um seine Gedanken zu ordnen. „Dieser Junge, der mich beschuldigt hat, war ein äußerst zwielichtiger Bursche, mit einer ganz schlechten Reputation, der mit allerhand hohen Herren ein Verhältnis gehabt hatte, und der Staatsanwalt wollte dies dann anhängig machen, aber weil so viele hohe Herren betroffen waren, hat er das Verfahren einstellen müssen, sonst hätte es einen gewaltigen Skandal gegeben. Und dann fanden sie in dem Notizbuch des Jungen, in dem all die Namen standen, auch meinen. Ich weiß nicht mehr, warum. Ich hatte diesen Jungen einmal getroffen, aber da war nichts vorgefallen. Der Staatsanwalt dachte damals wahrscheinlich: Die hohen Herren kann ich nicht kriegen, aber diesen kleinen Mann in Amsterdam werden wir uns greifen. Noch am selben Tag hat er von der Sittenpolizei eine Durchsuchung in meinem Büro,

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