Das Büro
Freigang.“
„Wie im Gefängnis.“
Frans lächelte matt.
Sie schwiegen. In die Stille hinein hörte man die Schritte des Mannes. Er hatte sich am Ende des Saals umgedreht und bewegte sich wieder in ihre Richtung. Das Sonnenlicht, das durch die Bleiglasscheiben des Oberlichts hereinfiel, lag in bunten Fächern auf Frans’ Bett. Es roch nach Lysol. Der Mann blieb an derselben Stelle stehen, wo er kurz zuvor schon einmal haltgemacht hatte, und sah zu ihnen herüber.
„Was hast du gerade gelesen?“, fragte Nicolien.
Frans hob das Buch kurz hoch, so dass sie den Titel lesen konnte.
The Waves
. Er sah wieder zu dem Mann hinüber, der sich umdrehte und von ihnen entfernte.
„Das ist toll, nicht?“, sagte sie verlegen.
„Ja“, antwortete er geistesabwesend. Er sah sie erschrocken an. „Wie geht es euch?“
„Gut“, antwortete Maarten.
„Jetzt beobachtet er uns im Spiegel“, sagte Frans ängstlich. „Wenn man noch nicht verrückt ist, dann machen sie einen hier verrückt.“
Sie schwiegen. Die Wand hinter Frans’ Bett war bis auf Kopfhöhe gelb gestrichen, darüber war sie weiß. Auf dem Gelb befanden sich Schmutzstreifen. An der seitlichen Wand hing das Gemälde eines Kornfeldes mit Klatschmohn.
„Es ist stickig hier“, stellte Maarten fest. „Können wir nicht ein Fenster aufmachen?“ Die Schritte hinter ihm gingen ihm auf die Nerven.
„Nein, die gehen nicht auf.“
„Die Katze, die wir gefunden haben, ist ein bisschen verrückt“, erzählte Nicolien. „Wenn es dir wieder besser geht, musst du sie dir mal ansehen kommen.“
„Ja, gerne.“ Er sah wieder zu dem Mann. „Jetzt beobachtet er uns aus dem Waschraum.“
Maarten drehte sich um. Er sah den Mann mit einer Zigarette im Halbdunkel sitzen.
Sie schwiegen erneut. Maarten zog das Buch zu sich heran und blätterte darin.
„Wie geht es im Büro?“, fragte Frans.
„Gut.“ Er legte das Buch wieder zurück. „Nijhuis liegt auch im Krankenhaus. Schon seit Januar.“
„Was fehlt ihm?“
„Er hat was am Herzen, aber sie wissen nicht, was.“
Sie schwiegen.
„Ich besuche ihn ab und zu.“
„Ich mag ihn nicht besonders“, gestand Frans. „Er ist mir zu hart.“ Er sah scheu zu Maarten, als befürchtete er, etwas Falsches gesagt zu haben.
„Aber auch zu sich selbst.“
„Ja, das mag ich nicht so besonders. Die Leute, die so hart zu sich selbst sind, mit denen stimmt was nicht. Meinst du nicht?“
„Die kriegen es am Herzen.“
„Ja, vielleicht auch.“
„Ja, das ist nicht schön“, gab Maarten zu. Von da, wo er saß, konnte er ein Stück des Gartens sehen. Dort stand eine Silbertanne, und es gab einen Rasenplatz mit weißen Stühlen.
„Darfst du hier nie raus?“, fragte Nicolien.
„Ich möchte gern mal ein Wochenende raus, aber ich weiß nicht, wohin. Zu meinen Eltern lieber nicht, und mein Bruder will mich wegen der Kinder nicht haben.“
„Aber dann komm doch zu uns?“
„Ginge das denn?“ Er sah schnell zu Maarten.
„Natürlich“, sagte Maarten ohne viel Begeisterung.
„Das fände ich sehr nett.“ Er sah zu Nicolien und dann sofort wieder zu Maarten, als traue er dem Angebot nicht ganz.
Hinter ihnen hatte der Mann mit dem Bart seine Wanderung wieder aufgenommen.
„Was machen sie hier eigentlich mit dir?“, fragte Maarten.
„Beobachten.“
„Reden?“
„Ja, auch reden.“ Er sah Maarten forschend an, als vermutete er, dass der mehr darüber wüsste als er selbst.
„Was hast du denn genau? Bist du verwirrt, oder hast du Ängste, oder hörst du Stimmen?“
„Ich weiß es eigentlich nicht“, sagte Frans vage. „Vor allem Ängste, glaube ich, und ich bin auch trübsinnig.“ Er sah Maarten an. „Du bist doch manchmal auch trübsinnig?“
„Ja, aber ich liege nicht in der Valeriusklinik.“
„Nein. Ich natürlich schon.“ Er lächelte ein wenig. „Mein Psychiater glaubt, ich bin in meinen sozialen Kontakten gestört. Dann wird das wohl so sein. Meinst du nicht auch?“
„Ich bin in meinen sozialen Kontakten auch gestört.“
„Ja, eben. Vielleicht ist das alles bloß Unsinn.“ Er sah schnell zu Nicolien.
Nicolien lachte.
Sie schwiegen. Hinter ihnen hörte man die Schritte des Mannes mit dem Bart. In einem der Waschbecken gluckerte es. Draußen, unter dem Fenster, schloss jemand ein Fahrrad ab.
„Ich habe euch keinen besonders netten Brief geschrieben, nicht wahr?“, sagte Frans. Er blickte prüfend von Maarten zu Nicolien.
Nicolien lachte.
„Ja“, sagte
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