Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Büro

Das Büro

Titel: Das Büro Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.J. Voskuil
Vom Netzwerk:
Licht gereckt und kämmte sich in einem Taschenspiegel sein Haar. „Tag, Herr Beerta“, sagte Maarten.
    „Tag, Maarten“, antwortete Beerta. Er steckte den Spiegel wieder in die Innentasche und beobachtete Maarten, während dieser sich an seinen Schreibtisch setzte. „Ich bin gestern zum ersten Mal in meinem Leben Kanu gefahren. Es war eine Offenbarung.“
    „Kanu gefahren?“ Er blickte zur Seite. „Ich dachte, Sie mögen kein Wasser?“ Er konnte sich Beerta nicht in einem Kanu vorstellen.
    „Ja, aber das hier war mit einem Jungen“, sagte Beerta amüsiert. Er wippte kurz auf den Zehen.
    Maarten sah ihn an. Beertas Gesicht war von der Sonne gerötet und hatte dadurch etwas Verkommenes. „Was sagt Karel dazu?“
    „Karel ist in Amerika.“ Er sah Maarten ironisch an und zwinkerte.
    „Ich bin noch nie Kanu gefahren“, sagte Maarten und wandte sich der Arbeit zu, „das heißt“, er erinnerte sich an einen Klassenausflug während des Krieges, „ein einziges Mal, und da bin ich gekentert.“
    „O nein, bei diesem Jungen fühlte ich mich v-vollkommen sicher.“ Er lächelte, als Maarten spöttisch zur Seite sah. „V-vollkommen. Ich hatte keine S-sekunde Angst, dass ich kentern würde.“
    „Was hatten Sie denn an?“ Er konnte sich Beerta nicht in Sportkleidung vorstellen.
    „Das hier.“ Er machte eine kokette Bewegung. Unter einem hellgrauen Sommeranzug mit seiner üblichen roten Krawatte trug er einen auffälligen weißen Pullunder, den Maarten vorher noch nicht gesehen hatte.
    „Und damit haben Sie gepaddelt?“, fragte Maarten ungläubig.
    „
Ich
habe nicht gerudert! Der Junge hat gerudert!“
    „Dann war es ein Ruderboot.“
    „Nein, es war ein K-kanu. Der Junge sagte, es wäre ein Kanu.“ Er schmunzelte amüsiert.
    „Wie hat dieser Junge denn gerudert?“
    „So.“ Er machte mit seinen Händen drehende Bewegungen vor der Brust, als würde er ein Knäuel Wolle aufwickeln.
    In dem Moment ging die Tür auf. „Weißt du, wo Ansing ist?“, fragte Fräulein Haan, die in der Tür stehen geblieben war.
    Beerta ließ die Hände sinken und sah sie lächelnd an. „Ist er nicht da?“
    „Er ist nicht da“, antwortete sie unzufrieden. „Wie schrecklich du wieder aussiehst. In deinem Alter solltest du dir wirklich etwas anderes anziehen.“
    „Sehe ich wirklich so schrecklich aus?“ Mit einem ironischen Schmunzeln wandte er sich Maarten zu.
    „Ist mir nicht aufgefallen“, antwortete Maarten.
    „Ach, hören Sie doch auf“, sagte Fräulein Haan irritiert, „wo Sie selbst immer so ordentlich aussehen.“ Sie machte die Tür hinter sich zu.
    „Frau Haan hat ein Auge auf dich geworfen“, stellte Beerta fest. Er schob seinen Stuhl zurück und setzte sich an seinen Schreibtisch. „Ich habe nun endlich meinen Reiz für sie verloren.“
    Maarten zog einen Kasten mit Fragebogen zu sich heran und nahm den obersten vom Stapel.
    „Wohin fahrt ihr in den Ferien?“, fragte Beerta.
    „In die Auvergne.“ Er griff zu einer Karteikarte.
    „Schon wieder in die Auvergne? Im letzten Jahr warst du doch auch schon in der Auvergne.“
    „Wir fahren immer in die Auvergne.“ Er schrieb die Nummer des Fragebogens und die Frage in die linke obere Ecke, dann die Codenummer des Ortes in die rechte, und fing an, die Antwort zu übertragen.
    Beerta legte den Stift weg und sah ihn über die Schulter an. „Was wollt ihr da bloß? Da gibt es doch keine Kultur?“
    „Ödnis und Einsamkeit“, antwortete Maarten, ohne seine Arbeit zu unterbrechen.
    „Warum fahrt ihr nicht mal nach Spanien?“
    „Zu Franco?“
    „Warum nicht?“
    Maarten drehte sich nun auch um. „Sind Sie denn schon einmal in Spanien gewesen?“
    Beerta blinzelte nervös. „Ich kenne sogar Kommunisten, die dort gewesen sind.“
    „Ja, während des Bürgerkriegs.“
    „Nein, danach.“
    „Und war das kein Problem?“
    Beerta sah ihn ernst an. „Ja“, gab er zu. „D-das war anfangs ein Problem. Aber dann habe ich mich ausführlich darüber unterhalten, mit sehr linken Leuten, und die haben mir alle geraten, hinzufahren.“ Er schwieg einen Moment, als überlege er, was er sagen sollte. „Ich bin dort mit den Balks gewesen. Du weißt, dass Balk Kommunist war?“
    „Nein.“
    „Als Balk studierte, war er Kommunist. Jetzt ist er Sozialdemokrat.“
    „Und wie fanden Sie es im Nachhinein?“
    „Ich bedauere es nicht“, sagte Beerta ernst. „Die Soldaten beispielsweise laufen dort viel lümmelhafter herum als bei uns.“
    „Ach ja?“,

Weitere Kostenlose Bücher