Das Büro
ich“, sagte er.
„Woher denn?“
„Von der Mensa. Ich kenne ihn schon, solange ich in Amsterdam lebe, aber ich weiß nicht, wer er ist.“ Er schmunzelte amüsiert. „So ist es eigentlich am schönsten: die Menschen kennen und sich doch fremd bleiben. Dieser Gedanke könnte mir Tränen in die Augen treiben.“
Sie überquerten den nahezu verlassenen Overtoom in Richtung der Gerard Brandtstraat. Die Straße lag bereits voll im Schatten, lediglich in den Wipfeln der hohen Bäume hinter dem Zaun gab es noch Sonnenlicht. Es roch feucht, nach faulendem Holz. Sie gingen am Zaun entlang und betrachteten die Häuser auf der anderen Straßenseite.
„Da würde ich gern wohnen“, sagte er.
„Ja“, sagte sie.
„Schön ruhig, mit Blick auf die Bäume.“ Andächtig betrachtete er ein Haus nach dem anderen. „Das Haus neben der Kirche ist das schönste, aber da wird wohl der Pfarrer wohnen, das kriegen wir also nicht.“
„Sollte er da wohnen?“ Sie zeigte auf ein Haus neben der Kirche, in einem der Fenster stand eine blühende Bromelie.
„Mit einer solchen Bromelie? Nein, da wohnt der Küster.“
Sie gingen durch einen der Seiteneingänge und bogen rechts ab. Die Luft war gesättigt vom duftenden Grün der Bäume und Sträucher. Im Teegarten mit den gelben Stühlen war niemand. Innen brannte nur noch eine Lampe über dem Ausschank.
„Sie haben zu“, stellte er fest.
„So früh?“
„Tja.“
Sie gingen weiter, nach links, in Richtung des weißen Pavillons. Auf einer Bank saßen acht hochaufgeschossene Burschen. Sie schrien und pfiffen ein paar Mädchen hinterher, die auf dem Fahrrad vorbeifuhren.
„Komm mal hierher!“, schrie einer von ihnen, ein großer, dicker Junge in einer Lederjacke mit fettigen, pomadigen Haaren. „Dann werde ich mir mal deine Muschi greifen und meinen Schwanz reinstecken!“ Die anderen brüllten. Die Mädchen fuhren, so schnell sie konnten, an der Bank vorbei in ihre Richtung.
Sie ergriff seinen Arm. „Sollen wir nicht umkehren?“, fragte sie ängstlich.
„Bist du verrückt!“ Er spürte eine heftige Wut in sich aufsteigen.
Der Junge, der geschrien hatte, stand drohend auf und kam mit zwei anderen hinter sich auf sie zu. „Soll ich dir die Gurgel durchschneiden?“, rief er aus der Ferne, zur großen Freude der Zurückbleibenden.
„Einfach weitergehen“, sagte er gedämpft. Mit einer kurzen Armbewegung befreite er sich aus dem Griff, mit dem sie sich bei ihm eingehakt hatte, und ging weiter, ohne den Burschen Aufmerksamkeit zu schenken. Gleichzeitig beobachtete er sie jedoch aus den Augenwinkeln. Seine Knie zitterten. Ein paar Meter von ihnen entfernt blieben die Jungen stehen und schwiegen. Ohne noch etwas zu sagen, ließen sie sie passieren. Im dem Augenblick kamen ihnen zwei Mädchen entgegen. Auf der Bank wurde geschrien und gepfiffen. „Stehenbleiben! Stehenbleiben, verdammt noch mal!“, rief ihnen der dicke Junge hinterher. Als Maarten sich umblickte, sah er das eine Mädchen schnell weiterfahren. Der dicke Junge hielt das Fahrrad des anderen am Gepäckträger fest, einer seiner Freunde packte sie am Arm, doch sie riss sich los und rannte weg, hinter ihrer Freundin her, die ein Stück weiter stehengeblieben war. Maarten blieb ebenfalls stehen, unsicher. „Verdammt noch mal!“, sagte er wütend.
„Was sollen wir jetzt tun?“, fragte Nicolien.
Er gab keine Antwort. Die Jungen fuhren mit dem Fahrrad zur Bank, gaben ihm einen Tritt, es rollte ein Stück, begann zu kippen,wurde jedoch von einem der Jungen auf der Bank aufgefangen. Maarten machte einen Schritt in ihre Richtung, stemmte seine Hände in die Seite und sah zu, ohne zu wissen, was er tun sollte. Als er sich kurz umdrehte, bemerkte er, dass in dem Pavillon mit den weißen Stühlen fünfzig Meter weiter Leute saßen. „Vielleicht könntest du eben Hilfe holen?“, sagte er.
„Nein, ich lass dich nicht allein“, sagte sie entschieden.
Er stand reglos da, die Hände an den Hüften, während die Jungs mit dem Fahrrad herumspielten und die Mädchen aus sicherer Entfernung zusahen. Schließlich stellte einer der Burschen das Fahrrad an einen Baum und brachte es kurze Zeit später, als die Mädchen es nicht zu holen wagten, noch ein paar Bäume weiter. Dort holten sie es sich zurück. Als sie wegfuhren, drehten Maarten und Nicolien sich ebenfalls um und gingen weiter, am Pavillon vorbei, wo Leute saßen und sich ruhig unterhielten. Sein Körper zitterte vor Anspannung.
„Was soll man bloß
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