Das Büro
mit solchen Proleten machen?“, sagte sie.
Eine derart rechte Bemerkung aus ihrem Munde erstaunte ihn. „An die Wand stellen und erschießen“, antwortete er grimmig. Er musste sich zwingen, seine Stimme im Griff zu behalten.
„Nein, ich meine es ernst.“
Er hätte sagen können, dass er es auch ernst meinte, doch ihm war klar, dass er damit die Stimmung verderben würde. „Jedenfalls mehr Polizeiüberwachung“, sagte er, etwas gemäßigter.
„Und warum gibt es die dann nicht?“
„Weil sie dafür kein Geld übrig haben.“
„Dafür sollten sie es dann doch besser übrig haben“, sagte sie zu seinem Erstaunen.
„Und eine verlängerte Wehrpflicht. Dann wird es ihnen schon vergehen.“
Ein blondes Mädchen auf einem Fahrrad kam ihnen entgegen.
„Aber wenn du dann den Falschen bestrafst?“, fragte sie sich. „Einen Jungen, der vielleicht nur ein einziges Mal mitgemacht hat?“
„Das hätte er dann besser bleiben lassen sollen“, antwortete er rachedurstig.
In diesem Moment erklang aus der Ferne ein Pfeifen und Johlen.Er blieb stehen und sah sich um, ohnmächtig. „Ich könnte sie echt erschießen“, sagte er und regte sich erneut auf. „Auch wenn sie nur ein einziges Mal mitmachen.“
„Sag doch nicht so komische Sachen“, sagte sie.
Er schwieg. Sie gingen unter der Vondelbrücke hindurch. In den Rabatten auf der linken Seite des Weges standen stark duftende Blumen in verschiedenen Farben. In der Marnixstraat begegneten sie erneut dem Jungen mit dem kleinen Kopf, nun auf einem Fahrrad, mit einer Rolle unter dem Arm, noch immer mit derselben Regenjacke bekleidet.
Als sie im Bett lagen, in der Dunkelheit, bekam sie plötzlich Angst. „Ich habe Angst“, sagte sie.
„Wovor hast du Angst?“, fragte er.
„Ich weiß es nicht. Ich habe Angst.“
Er schlug die Decke zur Seite und kroch zu ihr ins Bett. „Wovor hast du Angst?“, fragte er noch einmal, als sie nebeneinander lagen.
„Vor dem Älterwerden.“
„Ja“, sagte er.
„Und vor dem Sterben. Bald sind wir beide tot. Oder einer von uns ist tot. Wenn du tot bist, will ich auch tot sein, dann will ich nicht mehr leben.“
„Und was ist mit Jonas?“
„Ja, Jonas.“ Sie schwieg.
„Es wäre einfacher, wenn wir an Gott glauben würden, dann könnten wir denken, dass letztendlich alles nur noch besser wird.“
„So wie bei deinem Vater.“
„Ja.“
„Würdest du dich dann auch taufen lassen?“
„Nein, eine Kirche brauche ich nicht. Ich kann auch ohne Kirche leben.“
Sie erhob sich. „Nein.“ In der Dunkelheit, beim vagen Licht der Straßenlaterne, das durch die Vorhänge ins Zimmer fiel, war ihr Gesicht ein heller Fleck. „Fängst du wirklich an, an Gott zu glauben?“ Sie begann zu lachen, ließ sich zurücksinken und kugelte sich vor Vergnügen.Zurück in seinem Bett, Nicolien schlafend neben sich, dachte er wieder mit plötzlich aufkommender Wut an die Burschen im Park. Er blieb nicht stehen, sondern ging auf sie zu und schlug den Großen in der Lederjacke mit einem gewaltigen Kinnhaken zu Boden, im nächsten Moment warf er einen der beiden anderen, der auf seinen Rücken gesprungen war, über seine Schulter und trat dem dritten brutal zwischen die Beine, so dass er, sich vor Schmerzen krümmend, liegenblieb. Er sah, wie sich der zweite wieder aufrappelte, und versetzte ihm, bevor dieser sich rühren konnte, mit aller Kraft einen Kinnhaken, so dass er erneut zu Boden sank. Er richtete sich langsam auf, drohend, in Richtung der Bank, wo die fünf anderen standen und zusahen, doch als er auf sie zuging, machten sie sich aus dem Staub. Im selben Augenblick stoppte ein Polizeiwagen mit heulenden Sirenen. Zwei Polizisten sprangen heraus und nahmen Maarten fest. Zitternd vor aufgestauter Wut wälzte er sich von einer Seite zur anderen. Erst als er den Kampf ein paarmal, in unterschiedlichen Varianten, wiederholt hatte, gelang es ihm, sich zur Ruhe zu zwingen. Er sah sich selbst vor dem Richter stehen, wissend, dass er einen der drei getötet hatte (zuerst waren es alle drei, was ihm dann aber doch etwas zu viel erschien) und zwei von ihm schwer verletzt worden waren. Bereuen Sie es? fragte der Richter. Nein, Euer Ehren, antwortete er, beziehungsweise: Nein, Herr Richter – das ist besser: Herr Richter, Herr Staatsanwalt – Nein, Herr Richter, oder, noch besser: Wenn ich mit Ja oder Nein antworten muss, dann nein, Herr Richter! Aber es ist etwas komplizierter. Ich hatte nicht die Absicht zu töten. Ich wurde
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