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Das Büro

Das Büro

Titel: Das Büro Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.J. Voskuil
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war eine Frage, die er schon lange hatte stellen wollen.
    Hein lachte wohltönend. „Weil ich es eine nette Idee fand.“
    „Wolltest du denn kein Bauer werden?“
    „Nein danke, immer im Dreck. Und mein Vater fand mich dafür auch ungeeignet.“
    „Wer übernimmt dann den Betrieb deines Vaters?“
    „Mein Bruder.“
    Im Stillen beneidete Maarten diesen Bruder.
     
    Auf dem Rückweg saßen sie zu sechst im Abteil, Beerta und Maarten, wie schon auf dem Hinweg, am Fenster.
    „Dieser van Heijningen, das ist ein Faschist“, sagte Maarten zu Beerta.
    „Natürlich ist das ein Faschist“, antwortete Beerta. „Ich bedauere die Tochter.“
    „So einem Mann sollte man eigentlich das Handwerk legen.“
    „Das hatte ich schon befürchtet, dass du das vorhattest“, sagte Beerta. „Darum habe ich dich auch lieber nicht zu Wort kommen lassen.“
     
    „Wie war es?“, fragte Nicolien, als er gegen sieben das Zimmer betrat. Sie saß, eine Flasche Genever neben sich, und trank einen Schnaps. Für ihn stand dort ebenfalls ein Glas. Der Tisch war gedeckt.
    „Ich habe fürchterliche Kopfschmerzen. Ich gehe ins Bett.“
    „Willst du nicht mal mehr etwas essen?“, fragte sie enttäuscht. „Ich habe die ganze Zeit auf dich gewartet.“
    „Ich kann wirklich kein Essen mehr sehen“, entschuldigte er sich. „Mir ist schlecht vor Kopfschmerzen.“
    *
    Die Kopfschmerzen dauerten bis zum Abend des folgenden Tages an. Danach fühlte er sich ungewöhnlich klar. Er sah seine Zukunft in einem scharfen Licht, ohne jede Illusion. Es gab keinen Ausweg. Man wird älter. Man muss leben. Wenn man unabhängig bleiben will, muss man eine Arbeit haben. Es schien eine schlüssige Begründung, und doch suchte er weiter nach einer Öffnung, um zu entwischen, wie eine Ratte, die an den Wänden ihres Käfigs entlangrennt, anstatt sich damit abzufinden, dass der Raum fortan kleiner sein würde. Im Bett dachte er darüber nach. Wann war es schiefgegangen? Das musste lange her sein. Er versuchte den Weg zu überblicken, dem er bis jetzt gefolgt war, doch die Erinnerungen, die hochkamen, weckten nicht viel mehr als ein vages Mitleid. Er legte sich auf den Rücken und öffnete die Augen. Nicolien schlief. Die Laterne vor ihrem Haus warf ein schwaches Licht ins Zimmer. Aus großer Entfernung hörte man Singen und Geschrei, das wieder erstarb. Wie spät mochte es sein? Spät. Er dachte mit Abscheu an das Treffen, an die Leichtigkeit, mit der sich Fräulein Haan und Balk bewegt hatten, und an sein Unvermögen, dazwischen seinen Platz zu finden. Bei der Erinnerung an sein eigenes Auftreten fühlte er sich zutiefst unglücklich. Ich bin jemand, der sich bedroht fühlt, dachte er, als sei er damit zu einer völlig neuen Schlussfolgerung gelangt. Doch welchen Grund hatte er, sich bedroht zu fühlen? Während er an den Wänden seines Käfigs entlangrannte, wurde es an den Fenstern allmählich hell. Er lauschte. In der Ferne hörte man Stimmen und Schritte. Zwei Männer, die sich laut unterhaltend und mit ruhigen, kräftigen Schritten näherten.
    „Wenn du dir nun mal genau überlegst, was ihr braucht“, hörte er einen von ihnen sagen, als sie nähergekommen waren.
    „Ein Bett“, sagte der andere.
    „Ein Bett!“, wiederholte der erste.
    „Einen Tisch.“
    „Einen Tisch!“
    „Stühle.“
    „Stühle!“
    „Einen Ofen.“
    „Einen Ofen!“
    Es war einen Moment still. Man hörte nur ihre Schritte auf dem Bürgersteig vor dem Haus.
    „Na“, sagte der erste wieder, „und wenn du jetzt …“ Der Rest war nicht zu verstehen.
    Er hatte atemlos gelauscht, auf dem Rücken liegend, und er lauschte weiter, während ihre Schritte und Stimmen sich langsam entfernten, bis es wieder still war. Da senkte sich Frieden in seine Seele hinab. Vorsichtig drehte er sich auf die linke Seite und versank fast sofort in einen tiefen Schlaf, aus dem ihn der Wecker eine knappe Stunde später wieder herausriss.
    *
    Als er sein Zimmer betreten wollte, kam Fräulein Haan gerade heraus. Sie grüßte ihn mit abgewandtem Gesicht, eine Unfreundlichkeit, an die er sich noch immer nicht gewöhnt hatte. „Tag, Herr Beerta“, sagte er, als er den Raum betrat.
    „Tag, Maarten“, antwortete Beerta. Er wartete, bis Maarten seinen Platz eingenommen hatte, und drehte sich dann langsam zur Seite, so dass er ihn sehen konnte. „Fräulein Haan möchte ab heute mit ‚Frau‘ angeredet werden.“ Er sagte es in ernstem Ton, doch der Ernst hatte bei Beerta immer etwas

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