Das Büro
Moment, um seinen Worten mehr Gewicht zu verleihen. „Er hat darauf hingewiesen, dass Ihr Büro an Traditionen interessiert ist. Ich möchte dem noch hinzufügen, dass Sie es auch zu Ihren Aufgaben rechnen sollten, diese Traditionen am Leben zu erhalten, so dass sie nicht infolge der heutigen Verflachung verlorengehen. Ich gebe Ihnen ein Beispiel. Als meine Tochter vergangene Woche heiratete, hat sie aus meinen Händen, als Sippenoberhaupt, den Gral mit Branntwein empfangen. Es scheint mir von größter Bedeutung, dass sich Ihr Büro für den Erhalt derartiger Traditionen einsetzt. Vielen Dank.“
Während er dort stand und redete, hatte Maarten eine wachsende Wut über dieses Nazigewäsch in sich aufsteigen gefühlt. Das ist keineswegs unsere Aufgabe, dachte er wütend. Er gab Beerta ein Zeichen, dass er antworten wolle, doch Beerta ignorierte es. „Das ist sehr interessant, was Sie da erzählen“, sagte er ernst, „und wir werden bestimmt gern über Ihre Anregung nachdenken.“ Er machte eine kurze Pause. „Sie müssen allerdings bedenken, dass der Erhalt von Traditionen nicht zu unserem Auftrag gehört, und als Chefingenieur beim Straßenund Wasserbauamt werden Sie Verständnis dafür haben, dass wir uns an die Regeln halten, an die uns das Ministerium gebunden hat.“
„Selbstverständlich“, sagte van Heijningen. „Ich hielt es lediglich für meine Pflicht, Sie auf dieses Problem hinzuweisen.“
„Dafür sind wir Ihnen auch sehr dankbar“, sagte Beerta. „Wem darf ich jetzt das Wort geben?“
„Dem Mann sollte man eigentlich das Handwerk legen“, flüsterte Maarten Balk zu. Der zog nur die Augenbrauen kurz hoch und war mit seiner Aufmerksamkeit bereits beim nächsten Fragesteller. Es dauerte eine Weile, bis Maarten dazu ebenfalls wieder imstande war.
Der Nachmittag ging seinem Ende entgegen. Als Letzter bat van Laar um Erlaubnis, ein Gedicht vorzulesen. Er holte ein paar Blätter aus der Jackentasche, setzte mit einer Hand die Brille auf und stellte sich schräg zum Saal. Es war ein langes Gedicht, von dem Maarten nur die ersten Zeilen in Erinnerung blieben.
Wo nun der fetten Kühe Weide,
lag einst die große, stille Heide,
wo ich umherzog mit dem Hund,
vom Morgen bis zur Abendstund.
Das Gedicht erntete einen warmen und langanhaltenden Applaus.
„Und jetzt einen Schnaps“, sagte Balk zu Maarten, sobald Beerta den Hammer hatte fallen lassen. Er stand auf, sammelte seine Papiere zusammen und drängte sich durch die Menge, hin zur Treppe. Maarten zögerte. Leute kamen zum Podium, um Beerta und Fräulein Haan die Hand zu geben. Er wusste nicht recht, was seine Rolle war. Er kannte niemanden und fühlte sich überflüssig. Als er sah, wie Fräulein Haan herzlich auf ein paar Leute zuging, stieg er mit einem Schuldgefühl das Podium hinab und folgte Balk. Hein de Boer war dabei, in dem Gedränge die Tische leer zu räumen, während Meierink die Heftzwecken aus den Karten pulte und die Karten zusammenrollte. Maarten steckte die letzten Bücher in die Tasche. Hein bückte sich und holte die Kartenrolle unter dem Tisch hervor. „Kommst du auch noch mit auf einen Schnaps?“, fragte Maarten. Zwischen den Korrespondenten, die, eben noch ihre Freunde, nun zu Fremden geworden waren, gingen sie die Treppe hinunter zum Café. Balk saß an der Theke. Etwas ungelenk, weil er niemals an der Theke saß, schob sich Maarten neben ihn auf einen der hohen Hocker. Balk trommelte ungeduldig auf den Schanktisch. „Wo bleibt die Bedienung!“, sagte er, und mit einem Mal erkannte Maarten in ihm seinen eigenen Vater. Dieselbe Art und Weise, seine Ungeduld zu äußern. Er spürte, dass seine Kopfschmerzen wieder zunahmen. Am liebsten wäre er aufgestanden. Er hatte keine Lust auf Schnaps, doch jetzt, da Balk ihn mehr oder weniger mitgenommen hatte, konnte er auch nicht gut wieder einen Rückzieher machen. „Einen Bokma!“, sagte Balk zum Kellner, der inzwischen von der anderen Seite gekommen war. Maarten bestellte auch einen Bokma, Hein einen Vieux mit Zucker. Balk nahm einen Schluck, rieb seine Lippen genießerisch übereinander und schnalzte zufrieden mit der Zunge. „Ein gelungener Nachmittag“, stellte er fest.
„Wie fandest du diesen van Heijningen?“, fragte Maarten.
„Ein Idiot.“
„Ein Faschist!“
„Kein Faschist! Das geht mir zu weit.“
Maarten schwieg. Wenn der kein Faschist war, war es niemand. Er wandte sich Hein zu. „Warum hast du eigentlich angefangen zu studieren?“ Es
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