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Das Büro

Das Büro

Titel: Das Büro Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.J. Voskuil
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meine, was ich sage! Ich will nicht noch mehr Geld! Und ich verlange, dass du es zurückgibst!“
    Er zuckte mit den Achseln. „Das werde ich natürlich nicht tun. Ich mache mich doch nicht lächerlich.“
    „Aber ich verlange es!“
    „Du verlangst gar nichts!“
    Sie war aufgestanden und stand wütend vor ihm. „Großkotz! Scheißkerl! Kohle – darum geht es dir! Wenn du nur Kohle hast!“ Sie machte einen missglückten Versuch, die Gebärde mit Daumen und Zeigefinger auszuführen.
    Er musste lachen, doch zugleich hatte er – wehrlos wie er war – Angst, dass sie auf ihn losgehen würde, und hielt seinen Arm bereit, um sich zu verteidigen.
    „Großkotz!“, sagte sie wütend.
    „Ich bin kein Großkotz.“
    „Wenn du das Geld akzeptierst, bist du ein Großkotz!“
    „Ich bin kein Großkotz.“
    „Dann gib es zurück! Sag, dass du dich weigerst, so viel Geld zu verdienen! Dass deine Frau verlangt, dass du es zurückgibst!“
    „Ich gebe es nicht zurück. Sie würden mich für verrückt halten.“
    „Dann will ich dich hier nicht mehr sehen! Dann fliegst du raus!“
    Das machte ihn plötzlich wütend. Er sprang aus seinem Sessel auf, so dass sie erschrocken zurückwich. „Rausfliegen?“, rief er. „Rausfliegen? Wessen Haus ist das eigentlich?“ Er stand drohend vor ihr. Sie blickte ihn ängstlich an, einen Arm erhoben, um sich zu schützen. „Wessen Haus ist das eigentlich?“, wiederholte er drohend.
    „Mein Haus!“, sagte sie böse.
    „Und meins doch sicher auch!“, rief er. Er stieß sie beiseite und ging wütend zur Tür.
    „Was tust du?“, fragte sie erschrocken.
    „Ich geh weg!“, sagte er böse. Er griff wütend nach seinem Mantel und zog ihn an.
    „Nein, geh bitte nicht weg“, sagte sie. Sie lief hinter ihm her und hielt ihn fest. „Ich meine es nicht so. Komm schon, geh bitte nicht.“
    Seine Wut legte sich, doch er war zu starrköpfig, um sich aufhalten zu lassen. „Nein!“ Er versuchte sich loszureißen. „Ich geh weg! Ich lass mich nicht so behandeln!“
    „Komm schon! Lass mich jetzt nicht betteln.“ Sie fing an zu weinen.
    Das erweichte ihn. Widerwillig zog er seinen Mantel wieder aus und ging zu seinem Sessel zurück.
    Sie ging hinter ihm her. „Ich finde es so furchtbar, dass du eine Arbeit hast“, sagte sie mit erstickter Stimme. „Ich hatte immer gehofft, dass wir zusammenbleiben würden.“
    *
    „Eigentlich kannste das Fenster besser zumachen“, sagte de Bruin mit einer Kopfbewegung. „Dagegen kann ich nicht anheizen.“ Er schob eine Tasse Kaffee auf Maartens Schreibtisch.
    „Ja, aber dann kann ich nicht arbeiten.“ Er sah ihn an und lachte. „Ich muss das Gefühl haben, dass ich flüchten kann.“
    De Bruin kicherte. „
Die
Zeit ist zum Glück vorbei.“ Er blieb stehen.
    „Wie alt warst du eigentlich im Krieg?“, fragte Maarten, während er die Kaffeetasse zu sich heranzog.
    „Ich bin Jahrgang 1909, also rechne mal.“
    „Hast du nie Probleme gehabt?“
    „Einmal“, sagte de Bruin langsam. „Das war bei einer Razzia, damals, mit den Juden, da kam ich nach der Sperrstunde von meiner Verlobten, und plötzlich steht ein Kerl vor mir und hält mir das Gewehr vor den Bauch: Hände hoch! Na, Koning, ich schwör dir, ich hab keine Miene verzogen, aber ich hab Blut und Wasser geschwitzt.“
    Maarten nickte. Er sah de Bruin über den Rand seiner Tasse an und wartete darauf, was nun kommen würde.
    „Und dann passierte es auch wohl mal, dass man dachte: Das hätte auch in die Hose gehen können, dann hättste jetzt hier nicht mehr gestanden. So wie beispielsweise, als ich noch bei Lub gearbeitet hab. Kennst du Lub?“
    Maarten schüttelte den Kopf.
    „Lub war Tabakgroßhändler. Auf dem Rokin. Ist nach dem Krieg pleitegegangen. Großes Geschäft. Die hatten natürlich auch Kunden, die bei den Nazis waren. Einen kenn ich noch. Der hatte ein Tabakgeschäft in der Kalverstraat. Den hast du sicher auch noch gekannt.“
    „Ich habe damals in Den Haag gewohnt.“
    „Der Bursche hat nach dem Krieg noch gesessen. Also – keiner traute sich da hin, um die Bestellungen abzuliefern.“
    „Warum nicht?“
    „Keine Ahnung. Vielleicht Angst, dass die Leute sie für Nazis halten könnten. Aber ich hab gedacht: Wenn es für den Chef ist, dann muss es sein. Geschäft ist Geschäft. Ich nehm also den Packen und ab zu dem Laden. Und der Bursche hinterm Tresen reißt die Hand hoch und – Heil Hitler! Ich sag: Guten Morgen! Einfach so, ohne mit der Wimper zu zucken.

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