Das Büro
Gebäude, um nicht klingeln zu müssen. Meist begann das Glockenspiel am Zuiderturm zu spielen, wenn er sich dem Büro näherte, und etwa jedes dritte Mal gelang es ihm, genau in diesem Augenblick die Gasse zu betreten und Schlag neun seinen Stuhl unter den Schreibtisch zu ziehen. Der Raum von Fräulein Haan, den er durchqueren musste, um sein eigenes Zimmer zu erreichen, war dann noch leer. Beerta war gewöhnlich schon da oder kam direkt nach ihm herein.
Am Tag nach Neujahr war Beerta der Erste. Als Maarten durch die Tür des Abstellraums den Flur betrat, sah er dessen Mantel und Baskenmütze an der Garderobe hängen, am ersten Haken, wo sie immer hingen. Der Haken wurde von niemandem sonst benutzt, auch nicht, wenn Beerta einmal ein paar Tage nicht da war. Er zögerte, fasstedann aber doch den Entschluss, dem er den ganzen Weg zum Büro mit Schrecken entgegengesehen hatte, und ging den langen Flur zurück zur Eingangstür. De Bruin war in seinem Verschlag dabei, Kaffee zu machen.
„De Bruin“, sagte er. „Ein frohes Neues Jahr!“ Er betrat den Verschlag und streckte seine Hand aus.
„Ja, ebenfalls“, sagte de Bruin. Sie gaben sich die Hand. „Und dass du mal ein großer Junge wirst.“ Er lachte spitzbübisch.
„Habt ihr noch was gemacht?“, fragte Maarten aus Höflichkeit.
„Karten gespielt und Schnaps getrunken“, sagte de Bruin. „Ist auch nicht mehr das, was es früher mal war. Und ihr?“
„Wir haben mit meiner Schwiegermutter
Mensch ärgere dich nicht
gespielt.“
„Geht auch. Wenn man sich nur nicht ärgert.“ Er lachte über seinen Witz.
„Ich habe mich zu Tode geärgert, denn ich habe verloren.“ Er war einen Schritt zurückgetreten und stand bereits wieder auf der Türschwelle.
„Und das kannste nicht gut haben.“
„Nein“, sagte Maarten lachend.
Noch mit dem Lachen im Gesicht ging er den Flur wieder zurück und bog um die Ecke, als sich in ihm alles zusammenzog. Auf dem Weg zu seinem Zimmer merkte er, dass er durch dieses kurze Scheißgespräch bereits gespannt war wie eine Feder. Ich bin ungeeignet für diese Art Traditionen, dachte er zum soundsovielten Mal. Sobald er das Zimmer betrat, schob Beerta seinen Stuhl nach hinten und stand auf. „Tag, Herr Beerta“, sagte er, wie gewöhnlich.
Beerta kam ihm mit ernstem Gesicht entgegen. „Ich wünsche dir und deiner Frau zunächst einmal ein glückliches Neues Jahr“, er gab Maarten die Hand, „und dann gratuliere ich dir auch noch zu deiner Ernennung zum wissenschaftlichen Beamten.“ Er sah ihn feierlich an.
„Ihnen auch“, sagte Maarten verwirrt.
„Hast du angenehme Tage gehabt?“
„Wir haben meine Schwiegermutter zu Besuch.“ Ihm fiel zu spät ein, dass er auch auf die Beförderung hätte reagieren müssen.
„Dieses Vergnügen ist mir unbekannt“, sagte Beerta ironisch. „Ich beneide dich.“ Er wandte sich ab, wollte sich wieder hinsetzen, doch in dem Moment klopfte es bescheiden an der Tür, und unmittelbar darauf trat van Ieperen ein, noch ohne seinen weißen Kittel.
„Herr Beerta“, sagte er, während er mit ausgestreckter Hand auf Beerta zuging. „Meinen Herzlichen!“ Er kicherte nervös.
„Vielen Dank, Herr van Ieperen“, antwortete Beerta beherrscht. „Ich wünsche Ihnen dasselbe.“
„Und dir natürlich auch“, sagte van Ieperen, wobei er Maarten die Hand gab. Vor Nervosität ging er kurz in die Knie und war auch schon wieder zur Tür hinaus, als diese gleich darauf erneut aufging. Wiegel. „Herr Beerta“, sagte er vergnügt, während er mit ausgestreckter Hand zwischen Maarten und dem Tisch auf ihn zuging. „Darf ich Ihnen nach gutem altem Brauch aufrichtig ein glückliches Neues Jahr wünschen?“
„Das dürfen Sie“, sagte Beerta gnädig. „Ich wünsche Ihnen dasselbe.“
Sie gaben sich die Hand.
„Und dir natürlich auch“, sagte Wiegel zu Maarten.
Maarten nickte.
„Und ich hoffe, dass wir beide in diesem Jahr das Vergnügen haben werden, Ihre Bibliographie im Druck erscheinen zu sehen“, sagte Beerta, der noch nicht zu Ende gesprochen hatte.
„Gelegentlich erinnern Sie mich an das Märchen vom Männchen Piggelmee“, sagte Wiegel schmunzelnd, schon wieder auf dem Weg zur Tür.
„Das hatte drei Wünsche frei“, antwortete Beerta. „Mir genügt einer.“
„Ihre Bescheidenheit wird Sie vor seinem Los bewahren“, prophezeite Wiegel mit der Hand am Türgriff.
„Ich danke Ihnen“, sagte Beerta trocken. Er hob seine Schreibmaschine vom Tisch, während Wiegel
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