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Das Büro

Das Büro

Titel: Das Büro Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.J. Voskuil
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Na, zuletzt sagte der dann auch Guten Morgen, aber genauso gut hätte er mich hochnehmen lassen können, dennso’ne Schätzchen waren es auch nicht. Aber das kennst du ja selbst auch noch.“
    Maarten nickte.
    „Oder ein anderes Mal. Auch so was. Da musste ich als Schiedsrichter bei einem Spiel irgendwo beim Amsterdamse Bos pfeifen. Stellte sich heraus, dass das alles Wehrmacht war. Hatte vorher keine Ahnung. Die spielten beim Turnier einfach mit. Na, und ich war der Schiedsrichter. Und nach dem Spiel bin ich einfach in die Kantine gegangen, in meiner Schiedsrichterkluft. Ich komm da rein, und du wirst es nicht glauben, aber da war es rammelvoll mit hohen Tieren. Die saßen da und waren am Fressen, denn das war da verdammt gut. Na ja, ich komm also rein, und einer der Burschen steht auf. Er stellt sich vor mich hin und streckt die Flosse hoch: ‚Heil Hitler!‘ Ja, und da stand ich in meiner Schiedsrichterkluft. Hätt ich mich umgedreht, hätte er mich auf der Stelle erschossen. Ich streck also die Hand aus und sag: ‚Tag, mein Herr!‘ Einfach so! Was hätte ich auch anderes machen sollen. Aber das Essen war verdammt gut. Ob du’s glaubst oder nicht, aber ich habe lange nicht mehr so lecker gegessen.“ Bei der Erinnerung rieb er sich lächelnd über den Bauch. „Und ich denke: De Bruin, das ist besser bei
dir
im Bauch aufgehoben als bei den Moffen.“
    *
    „Was ist mit Nijhuis los?“, fragte Maarten.
    „Wieso?“, fragte Beerta.
    „Weil er mich schon seit ein paar Tagen nicht mehr grüßt.“
    Beerta legte den Stift weg und drehte sich zu Maarten um. „Nijhuis ist verstimmt, weil ich ihm die Gehaltserhöhung verweigert habe. Ich bin mit ihm nicht zufrieden. Ich finde, dass er in letzter Zeit zu wenig tut.“
    „Deswegen braucht er mich doch nicht zu ignorieren.“
    „So ist Nijhuis. Ich würde mir nichts draus machen.“
    Doch Maarten machte sich etwas daraus. Weil er Nijhuis in dem kleinen Raum, in dem sie eingeschlossen waren, nicht aus dem Weg gehen konnte, empfand er es als bedrohlich, und als sich dessen Haltung in den darauffolgenden Tagen nicht änderte, wurde es zu einerObsession. Das war der Grund, weshalb er ein paar Tage später, an einem Morgen, als er ihm im Flur begegnete und wieder nicht gegrüßt wurde, plötzlich stehenblieb. „Ist eigentlich was?“, fragte er mit einer Direktheit, die ihn selbst überraschte.
    Nijhuis erschrak. „Nein, warum?“
    „Weil du nicht grüßt.“
    Nijhuis zuckte mit den Achseln. „Warum sollte ich grüßen müssen?“
    „Weil ich dich auch grüße.“
    „Das sehe ich nicht ein.“
    „Ich glaube, dass du nicht grüßt, weil du keine Gehaltserhöhung bekommen hast.“
    Nijhuis gab darauf keine Antwort. Er sah von Maarten weg, mit einem harten, verschlossenen Gesichtsausdruck.
    „Und du grüßt nicht, weil du denkst, dass ich was über dich erzählt habe.“
    Zu seiner Überraschung wurde Nijhuis etwas röter. „Das denke ich überhaupt nicht. Ich grüße niemanden. Solange ich nicht weiß, wer über mich hergezogen hat, schere ich euch alle über einen Kamm.“
    „Und das finde ich beleidigend.“
    Nijhuis zuckte mit den Achseln. „Wenn du dich beschweren willst, musst du dich an Beerta wenden.“
    „Was ist das denn für ein Unsinn“, sagte Maarten böse. „Beerta hat damit nichts zu tun. Wenn du einen von uns verdächtigst, musst du es ihm ins Gesicht sagen.“
    Nijhuis reagierte nicht darauf. Sein Gesicht war wieder leichenblass, so wie immer. Er sah an Maarten vorbei, als ob er das Gespräch beenden wollte.
    Da er weiterhin schwieg, wandte Maarten sich abrupt ab und ging an ihm vorbei in sein Zimmer. Das Gespräch hatte ihn aufgewühlt, und es dauerte eine geraume Weile, bis er wieder arbeiten konnte, wobei er das unangenehme Gefühl den ganzen Tag nicht los wurde.
    Am nächsten Morgen beantwortete Nijhuis seinen Gruß, zurückhaltend und mit einem Nicken.

1958
    Neben dem Büro war eine schmale Gasse, nicht viel mehr als ein Spalt zwischen den Häusern, der an einer hohen Mauer endete. Es lagen dort alte Kisten und Kartons, Unrat, der sich im Laufe der Zeit angesammelt hatte und zwischen dem manchmal Ratten herumliefen. Ungefähr in der Mitte der Gasse gab es eine Doppeltür, die über einen Abstellraum zum Flur des Büros führte. In diesem Raum konnte das Personal die Fahrräder abstellen. Die Tür wurde jeden Abend von de Bruin verriegelt und morgens wieder aufgeschlossen. Sobald Maarten sie entdeckt hatte, betrat er durch sie das

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