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Das Büro

Das Büro

Titel: Das Büro Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.J. Voskuil
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sein Brot, legte die Leberwurstdarauf, vergewisserte sich, dass sich jedermann bedient hatte, und wollte gerade beginnen, als vorne im Saal, dort wo an einem etwas längerer Tisch die Prominenten saßen, mit dem Messer gegen einen Teller geklopft wurde. „Darf ich einen Moment um Ruhe bitten?“, fragte die Stimme von Zandstra. Es wurde ganz still. Der Mann neben Maarten bekreuzigte sich, der Mann ihm gegenüber faltete die Hände und senkte den Kopf. In der Stille ertönte aus der Küche das Klirren des Geschirrs und eine Stimme, die in lautem Ton etwas sagte. Maarten senkte den Kopf auch ein wenig, um nicht indiskret zu sein, sah aber doch, dass die Frau ihm gegenüber, eine ältere, resolute Dame, einfach vor sich hin blickte. „Dann wünsche ich Ihnen einen guten Appetit“, sagte Zandstra laut. Daraufhin öffneten sich in dem wiedereinsetzenden Stimmgewirr die Schwingtüren zur Küche, und Serviererinnen mit Suppentabletts und Kaffeekannen betraten den Saal.
    „Womit sind Sie gerade beschäftigt, wenn ich fragen darf?“, erkundigte sich der Mann, der neben Maarten am Kopfende des Tisches saß.
    Maarten brauchte einen Moment, bis zu ihm durchdrang, dass sich die Frage an ihn richtete. „Mit Wichtelmännchen“, sagte er dann.
    Der Mann sah ihn verwundert an, etwas unsicher. „Sehr interessant“, fand er.
    Maarten nickte vage und sah auf, da die Suppe gerade kam. Er überlegte, ob er nun seinerseits fragen müsse, was der Mann tat, doch da er dies zu indiskret fand und es ihn überdies nicht interessierte, schwieg er.
    „Ich hatte den Eindruck, dass Zandstra völlig neue Wege einschlagen wollte“, sagte der Mann zu der älteren Dame, die Maarten gegenüber saß.
    „Ich fand es außerordentlich fesselnd“, antwortete die Frau mit einem ausgeprägten Leidener Akzent.
    Maarten sah kurz zu ihr und beugte sich dann wieder über seine Suppe. Während er sie in sich hineinlöffelte, folgte er vage den Gesprächen um sich herum.
    „Dazu weiß ich noch eine nette Geschichte“, übertönte der Mann, der ihm schräg gegenüber saß, die Unterhaltung.
    Maarten sah auf und begegnete dem Blick des Mannes, der ihn sofort in das Gespräch einbezog – ein hochgewachsener Mann mit einem nackten Gesicht und dünnem, nach hinten gekämmtem Haar.
    „Sie kennen meine Frau nicht“, sagte der Mann zu Maartens Nachbarn, mit einem anschließenden seitlichen Blick zu Maarten, „aber wenn ich Ihnen jetzt erzähle, dass sie sehr jung und charmant aussieht, werden Sie es besser verstehen.“ Er lächelte voller Vorfreude. „Ich habe nämlich in einer Mitgliederliste entdeckt, dass ein Neffe von mir Trompeter in einem Residenzorchester ist, ein ziemlich großer Neffe, wir sind nämlich alle ziemlich groß, während meine Frau dagegen ziemlich klein ist. Und obwohl ich nie in Konzerte gehe, einfach, weil ich dafür keine Zeit habe, wollte ich mir den Spaß machen, ihn einmal meiner Frau vorzustellen und dann zu ihm zu sagen: Sag einfach Tante.“ Er lachte vergnügt, mit der Szene noch vor Augen.
    Der Mann neben Maarten lachte ein wenig mit. Maarten wartete noch auf die Pointe.
    „Also habe ich einmal Karten für ein Konzert für zwei Trompeten gekauft“, er machte eine kurze Pause, mit unterdrückter Freude, „und dieser Neffe war aber dritter Trompeter!“ Er lachte aus voller Brust.
    Der Mann neben Maarten fand es eine schöne Geschichte. Maarten wusste nicht recht, wie er reagieren sollte. „Vielleicht wird es noch einmal ein Stück für drei Trompeten geben“, sagte er schließlich, unfreundlicher, als es gemeint war.
    „Wer weiß“, sagte der Mann desinteressiert und begann ein neues Gespräch mit seinem Nachbarn auf der anderen Seite.
     
    Nach dem Mittagessen hatten sie noch eine halbe Stunde Zeit. Als Maarten aus dem Speisesaal kam und die Halle betrat, war sie voll mit Grüppchen von Leuten, die sich unterhielten. Ihm kam kurz der Gedanke, sich der Gruppe um Balk und Beerta anzuschließen, er verwarf ihn jedoch sofort wieder. Ohne sich umzusehen, als wäre er mit einem klaren Ziel unterwegs, durchquerte er die Halle, ging an der Garderobe vorbei durch die Eingangstür und in den Garten hinaus. Die Kälte und die Feuchtigkeit taten gut. Er eilte den Weg entlang, vomGebäude weg, und blickte sich erst um, als er das Gefühl hatte, halbwegs außer Sicht zu sein. Aus der Ferne sah er hinter den beschlagenen Fenstern, im Licht der Deckenlampen, die vagen Silhouetten der Menschen in der Halle. Er fühlte sich befreit

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