Das Camp
jetzt eine Falle? Luk war nicht sicher, ob er jetzt wirklich antworten sollte.
»Klar?«, brüllte der Zugführer.
»Klar, Herr Zugführer«, antwortete Luk.
Pannewitz hatte die ganze Zeit das Klemmbrett mit Luks Bericht unter dem Arm gehabt. Jetzt holte er das Brett hervor.
»Hübsche Geschichte«, sagte er beiläufig. »Aber da fehlt noch einiges, oder? Weißt du wirklich nicht, weshalb du hier bist? Wir werden ein nützliches Mitglied unserer Gesellschaft aus dir machen. Und eines Tages wirst du uns sogar dankbar dafür sein.«
Da kannst du lange warten, dachte Luk.
»Oh, doch, das wirst du«, sagte Pannewitz.
Und Luk war plötzlich nicht mehr sicher, ob er das, was ihm da durch den Kopf gegangen war, wirklich nur gedacht hatte. Oder konnte dieser Typ etwa Gedanken lesen?
Von draußen vor dem Gebäude hörte Luk, dass sich dort eine größere Anzahl von Menschen versammelte.
Pannewitz sah wieder auf seine Armbanduhr. »Aber jetzt steht erst mal Frühsport auf deinem Programm.«
Luk schaute an sich hinunter, auf seine bloßen Füße. »Ich brauch Turnschuhe oder so was.«
»Klar«, sagte sein neuer Zugführer. »Die kriegst du später, sobald du nach Stufe zwei aufgestiegen bist.«
Luk starrte ihn ungläubig an. »Ich soll hier die ganze Zeit barfuß laufen? Das ist doch nicht Ihr Ernst, oder?«
Pannewitz lächelte. Es sah ziemlich erfreut aus. »Reden ohne ausdrückliche Erlaubnis eines Vorgesetzten. Zehnmal pumpen würde ich sagen. Aber das nächste Mal kommst du nicht wieder so billig davon. Klar?«
Luk ließ sich zu Boden fallen und machte zehn Liegestütze.
10
Draußen im kühlen Morgendunst waren an die 100 Leute in Reih und Glied angetreten, alle in orangefarbenen Overalls. Einige der Jungs wirkten so müde, dass ihnen fast die Augen zufielen. Pannewitz führte Luk ans Ende des dritten Blocks.
»Das ist jetzt deine Gruppe, Lukas. Zug 3, Gruppe 3.« Pannewitz’ Stimme wurde auf einmal sehr laut. »Gruppenführer!«, bellte er.
»Hier, Herr Zugführer!« Ein überraschend zarter Junge mit tückischen schmalen Augen trat vor und nahm Haltung an.
»Das ist Michael«, stellte Pannewitz ihn vor.
»Mike«, korrigierte Michael.
Pannewitz ignorierte den Einwurf. »Michael wird sich von jetzt ab um dich kümmern. Klar?«
»Klar!«, sagten Mike und Luk wie aus einem Munde.
Ein Lächeln huschte über das Gesicht des Gruppenführers. »Umfallen!«, brüllte er.
Die anderen lachten schadenfroh.
Luk fluchte im Stillen. Er war Stufe eins. Er durfte nicht reden. Noch einmal, schwor er sich, würde ihm das nicht passieren.
Er legte sich hin und machte seine zehn Liegestütze. Der ganze Verein zählte mit.
»Gar nicht schlecht«, lobte sein Gruppenführer. »Schaffst du auch zwanzig?«
»Klar«, sagte Luk cool. Von dieser halben Portion würde er sich hier garantiert nicht vorführen lassen. Noch bevor er das gemeine Lächeln in Michaels Augen aufblitzen sah, kapierte er, dass er schon wieder reingefallen war.
»Umfallen!«, kommandierte der Gruppenführer. »Zwanzigmal pumpen! Und schön laut mitzählen, klar?«
Luk presste die Lippen zusammen. Nicht noch mal, dachte er. Wortlos machte er seine Liegestütze. Die ersten zehn klappten ganz gut. Nach dem fünfzehnten spürte er ein leichtes Zittern in den Oberarmen. Er hatte ein zu hohes Tempo vorgelegt.
Aber noch war es nicht zu spät. Noch konnte er umsteuern. Er musste nur seinen eigenen Rhythmus finden. Dann würde er auch die nächsten Liegestütze noch problemlos schaffen.
Sein Gruppenführer sah enttäuscht aus, als Luk sich wieder vor ihm aufbaute.
»Okay«, sagte er. »Dann reih dich mal ganz hinten ein. Wir beginnen den Tag mit einem Waldlauf. Damit wir richtig fit sind bei der Arbeit nachher.«
Luk hatte immer noch keine Schuhe, nicht mal Sandalen. Er hatte verdammt wenig Lust, diesen morgendlichen Waldlauf barfuß anzutreten.
Da er nicht reden durfte, wusste er nicht, wie er das kommunizieren sollte. Er hob schließlich die Hand und meldete sich, wie in der Schule.
»Ja?«, fragte Pannewitz, der Zugführer.
Luk zeigte auf seine bloßen Füße.
Mike lachte meckernd. Einige andere fielen eilfertig ein.
Zugführer Pannewitz lächelte amüsiert. »Schon mal was von Motivation gehört, Luk?«
Luk nickte. Wie kam der denn jetzt auf so was?
»Wir legen hier größten Wert auf Motivation«, sagte Pannewitz. »Früher brauchten unsere Neuzugänge im Schnitt zehn Wochen, bis sie von Stufe eins nach Stufe zwei aufstiegen.« Er
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