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Das Camp

Titel: Das Camp Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Tondern
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hinuntergleiten.
Das fehlte gerade noch, dass er hier umkippte und womöglich mit dem Kopf auf den Betonboden knallte.
    Jedenfalls musste er endlich was essen.
    Oder war es wichtiger, dass er mehr zu trinken bekam? Im Biologie-Unterricht hatten sie mal gelernt, dass der menschliche Körper wochenlang ohne Nahrung überlebte, aber nur wenige Tage ohne Flüssigkeitszufuhr. Oder war es umgekehrt? Mist, wahrscheinlich hatte er wieder mal nicht wirklich zugehört.
    Und war es nicht überhaupt ziemlich doof, dass er sich auf diese Spielchen einließ? Er brauchte doch nur irgendwas hinzuschreiben, dann holten sie ihn hier endlich raus. Wer weiß, wofür er seine Kräfte noch brauchte.
    Er kroch zu dem Papierstapel hinüber. Verdammt, der Kugelschreiber! Er fand ihn in seiner rechten Hosentasche, der einzigen Tasche des Overalls, die nicht zugenäht war.
    Aber worüber sollte er schreiben? Vielleicht über den Porsche ? Das war eine Story, bei der er einigermaßen sauber rausgekommen war. Immerhin hatte er im entscheidenden Moment nicht am Steuer gesessen. Und außerdem war der Fall längst abgeschlossen, oder? Hatte die Polizei ihre Ermittlungen gegen ihn nicht längst eingestellt? Wirklich sicher war er nicht. Aber über irgendwas musste er ja wohl schreiben.
    Also gut , schrieb er. Ich gebe zu, dass ich Mist gebaut habe …
    Plötzlich hatte er die Stimme von Dr. Enno Schwarz im Ohr. Den Dr. Enno Schwarz von früher. Lege nie ein Geständnis ab. Die sollen dir mal schön beweisen, dass du das gemacht hast und nicht irgendein anderer.
    Der Gläserne Bahnhof! Davon wussten sie garantiert. Sonst wäre er jetzt nicht hier. Er las noch mal, was er geschrieben hatte. Im Grunde konnte er das einfach so stehen lassen.

    Wir wollten an dem Abend eigentlich ins Kino fahren. Einer hatte einen Wagen besorgt. Wir waren sechs, glaube ich. Aber als wir alle eingestiegen waren, sprang der Motor auf einmal nicht mehr an. Keine Ahnung, warum. Vielleicht war der Tank leer. Irgendjemand fragte, ob einer Geld hat. Ich hatte zehn Euro in der Tasche. Aber ich hatte keine Lust, meine Kohle für Benzin rauszurücken. Den anderen ging es wohl ähnlich. Wir haben den Wagen stehen gelassen und sind zu Fuß losgezogen.
    War das jetzt zu ausführlich? Oder wirkte es gerade gut, weil er scheinbar ungefiltert erzählte, was wirklich passiert war in jener Nacht vor dem Besuch des Ministerpräsidenten?
    Wir wollten bei ALDI für jeden einen Sixpack Bier kaufen. Jemand hatte behauptet, dass die jetzt bis 22 Uhr geöffnet hätten. Doch als wir dort ankamen, war der Laden längst geschlossen. Aber die Tanke hatte noch offen. Dort mussten wir mehr als das Dreifache zahlen. Klar, dass wir gefrustet waren.
    Seine Hand funktionierte nicht mehr richtig. Manche Buchstaben wurden größer, als er beabsichtigt hatte. Er war so erledigt, dass er seine Feinmotorik nicht mehr unter Kontrolle hatte. Aber vielleicht war das sogar gut so. Seine Schrift wurde größer. Und je mehr Seiten er vollschrieb, desto besser.
    Er beschrieb, wie sie die Bierflaschen auf der Grillanlage im Stadtpark geleert hatten. Dann hatten sie doch noch zusammengelegt und einer war losgegangen, um Nachschub zu holen. Doch die Tanke war zu gewesen. Sie waren alle zusammen zu einer anderen Tankstelle gezogen, aber dort hatte sich die Frau an der Kasse unter Hinweis auf das Jugendschutzgesetz geweigert, ihnen Alkohol zu verkaufen.
    Klar, dass sie ziemlich aufgeheizt waren, als sie auf dem
Rückweg zum Park wieder an dem von etlichen Lampen beleuchteten Gläsernen Bahnhof vorbeikamen.
    »Unkaputtbar«, hatte jemand von ihnen gesagt. So hatten sie im Radio über die neue Anlage berichtet.
    Ein anderer hatte verächtlich gelacht.
    Mehr war nicht nötig gewesen. Sie hatten die Herausforderung angenommen. Wortlos waren sie in alle Richtungen suchend auseinandergegangen. Minuten später trafen sie sich am Fuß des Gläsernen Bahnhofs wieder. Mit Steinen, Gehwegplatten, Zaunpfählen, Eisenstangen und anderen Waffen stürmten sie die Stufen hinauf. Klar, dass es auch darum ging, wer der Erste war, der eine der Glaswände über den Bahnschienen kaputt bekam.
    Doch das nach einem speziellen Verfahren gehärtete Glas hielt stand. Es gab ein wenig nach unter ihren krachenden Schlägen, aber es zerbarst nicht. Nicht der geringste Riss war zu sehen.
    Jemand schleppte einen gusseisernen Gullydeckel an. Zu zweit packten sie das schwere Teil, holten Schwung und ließen es dann gegen das Glas krachen. Einmal,

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