Das Camp
informieren. Konnte doch sein.
»Hallo!«, schrie er wieder.
Der Mann dort draußen reagierte nicht. Dann war es wieder so still wie vorher.
Irgendwann hörte er Pfiffe. Geräusche drangen in den Raum, die er nicht wirklich zuordnen konnte. Mal klang es, als ob sich draußen auf dem Gang Dutzende von Leuten bewegten, aber niemand sagte etwas. Dann plötzlich hörte er Gesang. Männergesang. Wo hatte er so was schon mal gehört? Ja, richtig, in einem Dokumentarfilm über die Bundeswehr, den irgend so ein uniformierter Typ in der Schule gezeigt hatte. Mit anschließender Diskussion.
Jetzt war es lauter auf dem Gang vor seinem Raum. »He«, rief er. »Hier bin ich!«
Wieder keine Reaktion.
Aber nach einer Weile blieb dann doch jemand vor seiner Tür stehen. Der Schlüssel wurde wieder im Schloss gedreht. Der Typ von vorhin kam herein, das Klemmbrett unter dem Arm.
»Name?«
Luk hatte sich sofort vom Zementboden erhoben, als er den Schlüssel hörte. Er wollte endlich raus aus diesem Raum. Er wollte seine Klamotten wiederhaben. Und Hunger hatte er auch. Er hatte seit Ewigkeiten nichts gegessen, ja, wie lange eigentlich schon? Seine Mutter hatte ihn mit ihrem Frühstück genervt. Wenigstens ein Brötchen, hatte sie gedrängt. Aber Luk hatte keinen Appetit gehabt. Und vorher? Er hatte keine Ahnung, wann er zuletzt etwas zu sich genommen hatte. Außer Bier natürlich. Davon hatte er reichlich in sich reingeschüttet, soweit er sich erinnerte.
Wenn er was zu essen wollte, war es wohl besser zu antworten.
»Luk …«, sagte er und nahm sogar ein bisschen Haltung an, so wie er es bei den Soldaten in diesem Bundeswehr-Werbefilm gesehen hatte.
Der Typ sah auf das Formular auf seinem Klemmbrett.
Irgendwas schien ihm nicht zu gefallen. Er runzelte die Stirn.
»Warten Sie«, sagte Luk. »Sagen Sie, was Sie hören wollen, und ich gebe Ihnen die richtige Antwort.«
Aber der Mann machte kehrt und ging. Einfach so. Ohne auch nur den Versuch einer Verständigung.
»Warten Sie doch!«, schrie Luk. Er warf sich gegen die verschlossene Tür, schlug mit den Fäusten dagegen.
Die Schritte des Mannes entfernten sich.
Eine Tür fiel draußen zu. Danach war es wieder still. Mal drang das Geräusch eines anspringenden Motors zu ihm. Mal das eines Flugzeugs, das in großer Höhe das Gebäude überflog. Sonst hörte er nichts.
Luk setzte sich wieder auf den Boden. Ihm war inzwischen alles egal. Dann erkältete er sich eben. Wahrscheinlich war es sowieso das Beste, wenn er krank wurde. Die hatten garantiert kein Interesse daran, dass er hier in diesem muffigen Raum verreckte. Wenn sie Lösegeld für ihn haben wollten, konnten sie ihn nicht einfach draufgehen lassen. So wie er seinen Vater kannte, würde der ein Lebenszeichen verlangen, bevor er auch nur einen einzigen Cent zahlte.
Als der Mann das nächste Mal kam, hörte Luk keine Schritte und auch nicht den Schlüssel im Schloss. Er lag auf dem Zementboden und wurde davon geweckt, dass ihm jemand grob in die Seite trat.
Über ihm stand der Mann mit dem Klemmbrett.
»Name?«, fragte er gleichgültig und war schon wieder halb im Gehen begriffen. Den Kugelschreiber hatte er gar nicht erst aus der Tasche geholt.
Luk war noch halb im Schlaf. Vielleicht lag es daran, dass er nicht seinen Streetname »Luk« nannte, sondern den, der in seinem Pass stand.
»Lukas«, sagte er.
Und das Wunder geschah. Der Mann machte nicht wieder kehrt. Aber er sah fast ein wenig frustriert aus. Er hätte sein sadistisches Spiel wohl gern noch eine Weile weitergetrieben.
»Na, also, geht doch.« Er ließ das Klemmbrett auf Luk hinunterfallen. »Ausfüllen!«
Aber wie denn?, wollte Luk fragen.
Da wandte sich der Mann in der Tür noch mal um und warf ihm den Kugelschreiber zu.
Der Schlüssel drehte sich wieder im Schloss. Luk setzte sich auf und angelte nach dem Klemmbrett, das ein Stück über den Zementboden geschliddert war.
Das Blatt auf dem Brett hatte Eselsohren und es musste ziemlich lange in der Sonne gelegen haben. Die untere Hälfte jedenfalls. Außerdem musste der Toner im Kopierer so gut wie alle gewesen sein. Die Fragen und die Kästchen zum Ausfüllen waren kaum zu entziffern. In der oberen Hälfte war die Schrift sehr blass, in der unteren war das Papier zudem noch total vergilbt.
Aber all das nahm Luk nur sehr am Rande wahr. Etwas ganz anderes schreckte ihn wirklich auf: das blasse, kaum erkennbare Firmen-Logo ganz oben auf dem Formular. Wahrscheinlich war es auf dem Original
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