Das Camp
Kumpel.
»Keine Ahnung, ob ich die kenn«, sagte Luk.
Der Zivilbeamte winkte ab. Es war derselbe wie am Vortag. »Abgehakt«, sagte er. »Rat mal, wer es war!«
»Wie? Wer was war?«
»Wer geplaudert hat.«
Finte, hatte Luk gedacht. Der will mich reinlegen. Das macht der mit jedem von uns, bis einer wirklich auspackt.
»Der kriegt natürlich Rabatt«, schob der Polizist nach. »Bei der Strafe, mein ich.«
»Ich will meinen Anwalt sprechen«, hatte Luk gesagt.
»Klar.«
Aber Dr. Enno Schwarz war nie im Haus, wenn Luk anrief. Immer wieder hatte er das von der Sekretärin zu hören bekommen. Schließlich hatte er es einfach direkt probiert, als er zufällig in der Gegend war. »Nein, nein, das geht nicht!«, hatte die Sekretärin gesagt und ihn zurückzuhalten versucht, als Luk an ihr vorbeigehen wollte. Irgendwas in ihrer plötzlich alarmierten Stimme hatte ihn stutzig gemacht, aber er hatte sich nichts dabei gedacht.
Er hatte keine Ahnung, was er ihr geantwortet hatte. Vielleicht
war er so laut geworden, dass es durch die gepolsterte Tür bis zu Dr. Schwarz gedrungen war.
Jedenfalls hatte sich die Tür plötzlich geöffnet und der Anwalt war ihm mit ausgestreckter Hand entgegengekommen. »Luk! Ich wollte dich gerade anrufen. Dumme Geschichte das alles. Komm doch rein, mein Junge.«
Aber er hatte nicht, wie sonst immer, die gepolsterte Tür hinter ihnen zugemacht, sondern sie weit offen gelassen. Er hatte Luk auch keinen Stuhl angeboten. Er war überhaupt sehr kühl gewesen.
»Es gibt da ein kleines Problem, Luk«, hatte Dr. Enno Schwarz über seinen dunklen Schreibtisch hinweg gesagt. »Dein Vater hat seine Kostenübernahme-Erklärung zurückgezogen. Er bezahlt mich nicht mehr, wenn ich für dich arbeite.«
»Dann bezahl ich Sie eben selber.«
»Sicher.« Der Rechtsanwalt hatte gelächelt. Es war ein seltsames Lächeln gewesen. So wie man über ein vorlautes Kind lächelt, das gerade etwas ziemlich Dummes gesagt hat. Erst jetzt, in diesem kalten, kahlen Raum, begriff Luk, dass er da irgendwas nicht richtig kapiert haben musste. Überhaupt nichts hatte er kapiert.
»Kein Problem«, hatte er noch hinzugefügt. »Ich treib die Kohle schon irgendwie auf.«
Dr. Enno Schwarz hatte genickt, war aber überhaupt nicht auf Luks Angebot eingegangen. »Weißt du, Junge. Seit Monaten habe ich deinem Vater gepredigt: Du bist zu weich. Lass deinen Sohn einfach mal auf die Fresse fallen. Der braucht das.«
Luk glaubte, nicht richtig zu hören. Empört fragte er: »Auf welcher Seite stehen Sie eigentlich? Ich denke, Sie sind mein Anwalt!«
»War ich auch, mein Junge. Aber im Auftrag deines Vaters.
Er bezahlt meine Rechnungen. Ich fühle mich verpflichtet, ihn darauf hinzuweisen, wenn etwas schiefläuft. Und du bist schon eine ganze Weile auf der falschen Spur, Lukas. Du scheinst da etwas grundlegend nicht begriffen zu haben. Dein Vater will dich davor bewahren, dass du dir deine Zukunft zerstörst. Deshalb hat er mich engagiert. Damit du eine zweite Chance bekommst. Aber du scheinst zu glauben, wir machen das alles nur, damit du umso gewaltiger auf die Pauke hauen kannst.«
Luk hatte nur mit halbem Ohr zugehört. Er war genervt. »Und jetzt?«
»Bist du auf dich selbst gestellt, Lukas. Unglücklicherweise in einer äußerst unangenehmen Situation für dich. Wie ich höre, hat einer deiner Freunde bei der Polizei umfassende Aussagen gemacht und dich schwer beschuldigt. Er hat übrigens auch zu früheren Vorfällen ausgesagt, die noch nicht abgeschlossen sind. Der Überfall auf den alten Herrn, zum Beispiel. Das war schwerer Raub. Ich habe mit dem Richter gesprochen. Da kommt einiges auf dich zu, Lukas.«
Luk hatte endgültig genug. Er wollte nur noch weg. Dann würde er sich eben einen anderen Anwalt suchen.
Doch Dr. Enno Schwarz hatte ihn zurückgehalten. »Moment noch, ich hab da was für dich.« Er hatte Luk ein Formular hingehalten. »Wie gesagt, ich habe mit dem Richter gesprochen. Es gibt da vielleicht noch einen Ausweg für dich.«
Und dann hatte er, wenn Luk sich jetzt richtig erinnerte, dieses Wort ausgesprochen. Erziehungslager.
In den USA und in Frankreich gäbe es diese Einrichtungen schon eine ganze Weile. Wenn man sich da freiwillig einweisen lasse, könne man eine Knaststrafe vermeiden und sogar noch eine Strafverkürzung bekommen.
Luk hatte nicht wirklich zugehört. Erwachsenen-Gelaber.
Er war mit seinen Gedanken längst bei ganz anderen Dingen gewesen. Keine Ahnung, bei welchen. Aber jetzt
Weitere Kostenlose Bücher