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Das Camp

Titel: Das Camp Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Tondern
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hellgrün oder gelb und beim Kopieren nur andeutungsweise wiedergegeben worden.
    FORST-AKADEMIE , stand dort in großen, protzig verschnörkelten Buchstaben.
    Und darunter, sehr viel kleiner, aber ebenfalls in Großbuchstaben, nur ein schlichtes Wort, aber es brachte den Boden unter seinen nackten Fußsohlen ins Wanken:
    ERZIEHUNGSLAGER.

6
    Wer war das gewesen? Wer hatte dieses Wort gebraucht? Erziehungslager! Seit mindestens einer Stunde saß Luk da und grübelte.
    Klar, in der Gang hatten sie darüber geredet. Ziemlich häufig sogar. Aber da war es fast immer um diese amerikanischen Fernsehserien gegangen, in denen böse Jungs von herumbrüllenden brutalen Skinhead-Schleifern zurechtgebogen wurden. Und darum, dass sie sich nicht unterkriegen lassen würden in so einem Laden. Sie doch nicht.
    Und jetzt war er offenbar in so einem Camp. Genau, Camp hieß das. Aber da fehlte noch was. Irgendein Zusatz. Und dann erinnerte er sich: Bootcamp. Boots waren Stiefel, fiel ihm ein. Vielleicht musste man hier ja in Stiefeln herumrennen. Wie beim Bund.
    Luk konnte immer noch nicht fassen, wie er hier reingeraten war. Er hatte nicht mal gewusst, dass es so was überhaupt gab in Deutschland. Irgendwie hatte er da was nicht mitbekommen. Aber wer hatte ihn hierhergeschickt? Jemand musste das doch veranlasst haben. Und warum eigentlich?
    Ein Erwachsener hatte dieses Wort gebraucht. Aber wer? Luk hatte natürlich nicht zugehört. Er hörte nie zu, wenn Erwachsene was sagten. Wozu auch? Die quatschten einem doch sowieso nur die Ohren voll, und dann hielten sie sich selbst nicht mal an das, was sie predigten.
    Sein Vater zum Beispiel.Wie oft hatte er gebrüllt, dass dies jetzt aber endgültig das allerletzte Mal sei, dass er eine Schaufensterscheibe bezahle, die sein Herr Sohn zertrümmert
habe - aus einem Grund, an den er sich jetzt leider nicht mehr erinnern könne, weil er viel zu besoffen gewesen sei, als er den Pflasterstein geworfen hatte. Möglicherweise hatte er auch gar keinen Grund gehabt. Der Stein habe da wahrscheinlich einfach nur herumgelegen und so eine Gelegenheit könne man doch nicht ungenutzt lassen.
    Diese 1200 Euro noch, hatte sein Vater gesagt. Und dann ist Schluss! Ein für alle Mal. Mach dir ja keine Illusionen. Und dann hatte er drei Wochen später doch wieder nachgegeben und die Rechnung für ein paar zerkratzte Autos bezahlt.
    Luk grübelte und grübelte. Wer war das gewesen, der mit ihm über Erziehungslager geredet hatte? Aber wie sollte er etwas aus seinem Kopf herausquetschen, das er gar nicht erst hineingelassen hatte?
    Erwachsenen-Gequatsche halt.
    Wahrscheinlich war dies sowieso der falsche Weg. Wenn man etwas zu sehr will, bekommt man es garantiert nicht. Man muss locker bleiben, spielerisch mit den Dingen umgehen, dann fällt einem die Antwort wie von selbst in den Schoß.
    Er sah das Klemmbrett, das neben ihm auf dem Zementboden lag. Vielleicht war es besser, wenn er sich erst mal mit den Fragen beschäftigte.
    Die ersten vier waren einfach.
    Name: Lukas Paysen.
    Alter: 15.
    Vater: Dr. Eberhart P. Paysen.
    (Das P stand für Pay. Aber das brauchte er ihnen ja wohl nicht auf die Nase zu binden. Er hatte noch nie einen getroffen, der diesen Vornamen kannte. Und schon gar keinen, der so heißen wollte: Pay Paysen. Deshalb unterschlug er auch das P in seinem eigenen Namen. Auf seinem Perso stand: Lukas Pay Paysen.)

    Mutter: Marlene Paysen, geborene Brandt.
    Dann die fünfte Frage. Sie wollten wissen: Warum bist du hier?
    Oh Scheiße, was sollte das denn jetzt? Wollten die ihm hier die Beichte abnehmen? Waren die Typen, die hierhergebracht wurden, wirklich so doof, dass sie so was echt beantworteten? Hatten die denn keinen Anwalt?
    Ihm fiel ein, dass er selbst auch keinen hatte. Keinen mehr hatte, musste es natürlich heißen.
    Aber er hatte einen gehabt. Einen verdammt guten sogar. Luk erinnerte sich noch genau, wie eingeschüchtert er gewesen war, als er das erste Mal die ein wenig düstere Kanzlei am Markt betreten hatte. Dreizehn war er damals gewesen und irgendwie hatte er da was verwechselt. Er hatte im Ernst gedacht, dieser Dr. Enno Schwarz würde ihm eine Standpauke halten und ihm dann eine gesalzene Strafe aufbrummen. Irgendeine eklige Hilfsarbeit, im Krankenhaus zum Beispiel oder Papieraufsammeln in gestreifter Knastkleidung in der Innenstadt.
    Aber Dr. Schwarz hatte nicht mal eine Minute gebraucht, um seinem misstrauischen jungen Mandanten klarzumachen, auf welcher Seite er stand. »Hast du

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