Das Cassandra-Projekt: Roman (German Edition)
hielt Bucky neben einem Lastenaufzug an. Jerry und er stiegen aus, gingen zum Lift und fuhren hinauf ins Erdgeschoss. Gleich neben der Tür des Fahrstuhls stand ein bewaffneter Wachmann. Andere hatten an den diversen Ein- und Ausgängen Position bezogen. Bucky nickte dem Mann neben dem Lift zu, was offenbar alles war, das der Wachmann über Jerry wissen musste. Denn er trat sogleich zur Seite und ließ sie passieren.
Sie befanden sich in einer weitläufigen Halle, ungefähr sechzig Meter lang und zwölf Meter hoch. Einige nicht in Gebrauch befindlichen Kräne säumten die hintere Wand. Genau in der Mitte stand das Schiff, das Bucky und drei andere zum Mond tragen sollte.
Es war ein funkelndes weißes Raumfahrzeug, schlank und elegant, das mehr als nur den Hauch ungezügelter Energie verströmte und sich der Decke und über ihr den Sternen entgegenreckte.
Jerry pfiff anerkennend. »Irgendwie hatte ich angenommen, es wäre größer«, meinte er. »Oder besser: in dieser Umgebung wirkt es ziemlich klein.«
»Ich wünschte, es wäre größer«, gestand Bucky. »Nach ein paar Tagen wird es einem da drin furchtbar eng vorkommen.« Plötzlich lächelte er. »Ich wünschte, wir könnten wenigstens noch ein Spülklosett einbauen.« Für einen Augenblick verfiel er in Schweigen. »Es hebt vertikal ab und landet horizontal. Die Mondlandefähre landet und startet horizontal. Alles ist magnetisch oder irgendwie an den Schotts befestigt, weil wir die Schwerkraft ziemlich schnell hinter uns lassen werden.«
»Wo zum Teufel ist das Triebwerk?«
Bucky zeigte es ihm. »Es sieht aus, als wäre es ein Teil des Schiffs, aber wir werden es bald nach dem Start abwerfen.«
»Ich bin beeindruckt«, gestand Jerry.
»Es wirkt noch kleiner, wenn’s auf dem Bauch liegt. Und genauso wird es landen«, entgegnete Bucky. »Ich weiß nie, an welchem Teil die Leute hier an welchem Tag arbeiten. Also weiß ich auch nicht, ob die Spitze gerade zur Decke oder zur Wand zeigt.« Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. »Wir könnten es größer bauen«, fügte er hinzu, »aber wenn wir das täten, könnten wir wohl nicht mehr abheben.«
»Wissen Sie«, sagte Jerry, »ich habe noch nie eins von den Dingern aus der Nähe gesehen, zumindest nicht, ehe es losgeflogen und mit ein paar Stufen weniger zurückgekommen ist. Ich habe erst nach dem letzten Start einer Raumfähre bei der NASA angefangen.«
»Das ist sowieso keine Raumfähre«, entgegnete Bucky. »Dieses Baby wurde erbaut, um den Mond zu erreichen.« Er deutete auf ein kleineres Teilstück des Schiffs. »Und dieses Baby wurde dafür gebaut, auf ihm zu landen.«
»Tja, ich bin beeindruckt«, wiederholte Jerry. »Ich finde nur, es ist eine Schande, dass Sie das selbst machen mussten, weil die NASA die Mittel nicht aufbringen konnte.«
»Das ist keine Schande.«
»So?«
»Ich bin Kapitalist. Ich bin der Ansicht, es ist eine Schande, dass wir die NASA überhaupt je gebraucht haben, und das haben wir. Da oben lässt sich eine Menge Geld machen, Planeten erforschen, Asteroiden bergmännisch ausbeuten, Kolonien bauen.«
»Was die Asteroiden betrifft, gebe ich Ihnen recht. Aber wenn Sie davon sprechen, Kolonien zu bauen, klingt das wie Science-Fiction.«
»Ach ja? Nach allem, was wir bisher wissen, gibt es auf dem Mond Ozeane, die sich unter der Oberfläche verbergen. Wenn es sich um H 2 0-Ozeane handelt, dann haben Sie eine Menge Sauerstoff zu bieten, den wir nutzen könnten, bis wir genug Hydrokulturgärten erbaut haben, um einige Hundert oder sogar einige Tausend Menschen dort leben zu lassen. Meinen Sie nicht, fünfhundert Herzpatienten würden bezahlen, was immer es kostet, wenn Sie ihr Leben – ihr erheblich längeres Leben – in einem Krankenhaus mit niedriger Schwerkraft auf dem Mond verbringen könnten?«
»Sie würden Profit aus Todkranken ziehen wollen?«
»Tun Krankenhäuser das nicht auch?«, konterte Bucky. »Rettungsdienste? Wenn ich ein paar Milliarden investiere, verdiene ich es dann nicht, das mein Geldeinsatz sich auszahlt?«
»Genau darum haben wir doch Organisationen wie die NASA, die nicht existieren, um Profit zu erwirtschaften!«
»Die existieren gar nicht, wenn die Regierung die Steuergelder nicht dazu nutzt, sie zu finanzieren«, gab Bucky zurück. »Die Welt ist nicht so wohltätig, wie man Sie glauben machen will. Aber das ist nebensächlich. Es gibt auf Erden auch nicht allzu viel Aufrichtigkeit. Und darum habe ich mich diesem Projekt verschrieben.
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