Das Cassandra-Projekt: Roman (German Edition)
»Mehrere Forschungsgruppen arbeiten daran, künstliche Spermien herzustellen. Aber die brauchen vermutlich noch sechs oder sieben Jahre. Es wird also wahrscheinlich nicht mehr in Ihre Amtszeit fallen.«
»Künstliche Spermien?«
»Ja.«
»Wozu soll das gut sein?«
»Das Endergebnis wäre genetisch besser kontrollierbar.«
»Sie meinen, das Baby.«
»Ja. Tut mir leid.«
»Schon gut. Aber letztendlich haben Sie mir gerade erklärt, dass Männer in Zukunft bedeutungslos werden.«
»Das habe ich nicht gesagt.«
»Aber impliziert.«
»Mr President«, versicherte sie ihm mit einem schalkhaften Lächeln, »ich glaube nicht, dass Sie Angst haben müssen, Kerle würden irgendwann vollständig bedeutungslos werden. So weit wird es nie kommen.«
Angesichts all dieses Traras hätte die Mondstory eigentlich untergehen müssen, nichts als ein Stück Stand-up-Comedy, abgeliefert von einem egomanischen Milliardär mit zu viel Freizeit. Aber die Leute waren unberechenbar und unruhig. Es geschah schlicht zu viel auf einmal. Die Wähler hatten einen Punkt erreicht, an dem sie nichts mehr überraschte. Sie waren bereit, einfach alles zu glauben.
Ray Chambers stand auf der Schwelle.
George winkte ihn herein, und sie setzten sich an den kunstvoll geschnitzten runden Tisch, den er von den Obamas geerbt hatte. »Irgendwas Neues, Ray?«, fragte er.
»Wie es aussieht, pendelt sich die Lage in Utopia ein, George.« Das war Rays Standardwitz, der besagen sollte, dass alles in Ordnung sei, abgesehen von ein oder zwei Kleinigkeiten. »Soweit ich informiert bin, werden wir viel länger leben.«
»Und falls nicht«, meinte George, »wird es uns zumindest so vorkommen. Gibt es was Neues in der Myshko-Sache?«
»Vielleicht«, erwiderte Ray. »Ich bin allerdings immer noch davon überzeugt, wir sollten uns davon fernhalten.«
»Was haben Sie für mich, Ray?«
»Wir haben herumgefragt. Jasper und ich haben mit jedem geredet, von dem wir glauben, dass er irgendwann irgendwas mit Nixons Weißem Haus zu tun hatte. Darunter war eine Angestellte von Bob Haldemann. Ihr Name ist Irene Akins.«
»Okay. Und was hatte Irene zu erzählen?«
»Dass die NASA auf dem Mond etwas entdeckt habe. Vor Neil Armstrong. Sie hat gesagt, das sei damals eine ›große Sache‹ gewesen.«
»Wann war das?«
»Was den genauen Zeitpunkt angeht, ist sie sich nicht sicher. Und sie hat uns erzählt, sie dürfe eigentlich gar nicht darüber reden. Sie habe es auch nie getan und nie wieder etwas davon gehört. Also sei sie irgendwann zu dem Schluss gekommen, es sei nur irgendein dummer Witz gewesen.«
»Und was hat die NASA entdeckt?«
»Das hat Akins nie erfahren. Und sie hat auch nichts von geheimen Flüge läuten hören.«
»Wo lebt sie, Ray?«
»Anscheinend wohnt sie immer noch in der Gegend. Drüben in Alexandria.«
»Holen Sie sie her!«
»George, das ist keine gute Idee.«
»Tun Sie es einfach, Ray! Versuchen Sie, sie noch heute Nachmittag herzubringen!«
Irene Akins war im März 1965 ins Weiße Haus gekommen und bis 1978 geblieben. Da war Carter bereits Präsident gewesen. Bis 1970 hatte ihr Name Hansen gelautet. Von drei Präsidenten hatte sie positive Beurteilungen erhalten. Das legte die Vermutung nahe, dass sie nicht zum Heer von Personen gehörte, die allein aus politischen Gründen berufen wurden.
Um Viertel nach vier am Nachmittag informierte Kim George, dass Ms Akins eingetroffen sei und gemäß seiner Anweisung im Vermeil Room auf ihn warte. In dem so bezeichneten Salon gab es einen offenen Kamin, und die Wände waren mit den Portraits von fünf der First Ladys des zwanzigsten Jahrhunderts dekoriert. Seinen Namen verdankte der Salon der Sammlung feuervergoldeter Silbergegenstände, die in ihm ausgestellt waren. Trotz all des Geglitzers bot sich hier ein zwangloses Ambiente. Dorthin bestellte George stets einen Gast, dem er die Befangenheit nehmen wollte.
Ray war bei Ms Akins, als George eintrat. Mit einer Tasse Kaffee in der Hand stand die alte Dame vor dem Portrait von Jackie Kennedy.
Akins war in den Siebzigern, eine kleine Frau mit weißem Haar und einer Brille. Eine Gehhilfe stand neben ihrem Stuhl, und ihr Gesicht war faltig. Aber sie brachte ein strahlendes Lächeln zustande. »Kaum zu glauben, dass das tatsächlich passiert«, bemerkte sie.
Ray stellte sie einander vor und wandte sich zum Gehen. Doch George signalisierte ihm, er möge bleiben. »Sind Sie zum ersten Mal wieder hier?«, fragte er die alte Dame.
»Im Weißen
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