Das Cassandra-Projekt: Roman (German Edition)
Gebrechlichen können aufatmen.«
»Ja. Es ist kaum zu glauben, Mr President.« Laurie ging zur Couch und setzte sich.
»Wann?«, fragte George.
»Innerhalb der nächsten sechs Monate kann mit den Behandlungen begonnen werden.«
»Wie viel wird das kosten? Für den einzelnen Patienten, meine ich.«
»Wescott hat versprochen, es würde für die meisten Leute erschwinglich sein. Er schätzt den Preis auf weniger als tausend Dollar pro Patient. Für achtzig zusätzliche Lebensjahre.«
»Die Leute werden also noch mit hundertzwanzig Baseball spielen.«
»Mir ist bewusst, dass das Probleme aufwirft, Mr President.«
»Wir können so etwas den ärmeren Leuten schlecht vorenthalten. Jeder muss die Möglichkeit erhalten, sein Leben zu verlängern.«
»Ich weiß.«
»Es geht nicht an, dass ein Viertel der Bevölkerung doppelt so schnell altert wie alle anderen.«
»Gibt es schon einen Plan, wie wir damit umgehen wollen?« Die gesellschaftlichen Auswirkungen waren Laurie natürlich gleich bewusst gewesen. Sie konnte die Antwort an Georges fest zusammengepressten Lippen ablesen.
»Ich arbeite daran.« Lebensverlängerungen in geringem Ausmaß wären in Ordnung gewesen. Aber eine Verdoppelung? Und einige Wissenschaftsmagazine behaupteten bereits, das sei nur der Anfang. Enorme Fortschritte stünden kurz bevor. »Zunächst, Laurie, werden wir wohl das Sozialversicherungssystem überarbeiten müssen.«
Sie nickte.
Das Land würde mit Chefs konfrontiert werden, die niemals in den Ruhestand gingen. Politiker, die nie ihr Amt aufgäben. Die Bevölkerung würde sich binnen kürzester Zeit verdoppeln. Die Highways waren jetzt schon überfüllt. Die Vereinigten Staaten würden zweimal so viel Energie brauchen. Zweimal so viele Häuser. Und das war nur der Anfang. George würde die Familienplanung aufgeben müssen, was den Konflikt mit den Konservativen noch verschärfen würde. Und vermutlich musste er mit Beschwerden seitens der Gewerkschaft der Bestattungsunternehmer und Einbalsamierer rechnen. »Genau zur rechten Zeit für die nächste Wahl«, brummte er.
»Das geht schon in Ordnung, Sir. Die Leute werden sehr froh sein, wenn sie davon erfahren.«
»Zunächst schon. Aber innerhalb weniger Jahre werden wir die Leute auffordern, im Alter von hundert ihre patriotische Pflicht zu tun und sich von einer Brücke zu stürzen.«
»Bei Genmanipulationen geht es inzwischen auch voran.«
»Ich weiß. Sie wollen ein Kind mit einem IQ, der doppelt so hoch ist wie Ihr eigener? Kein Problem, kriegen wir hin!«
»Das werden Sie, glaube ich, nicht schaffen«, widersprach Laurie. »Zumindest wird’s noch eine Weile dauern.«
»Und das ist ein Segen.«
»Aber die Gentechniker können Ihnen bereits einen recht guten Politiker liefern.« Sie lächelte. »Nur ein Scherz. Sie werden aber das Aussehen der Leute beeinflussen können. Wie war das noch mit dieser alten Radiosendung über eine Stadt, in der alle überdurchschnittlich waren?«
Und dann waren da noch die beiden Kriege in Afrika, bei denen örtliche Diktatoren ihre Gegner massakrierten, während die Vereinten Nationen das Thema debattierten und das halbe Land erzürnt war, weil George Cunningham noch keine amerikanischen Truppen geschickt hatte. In – wo auch sonst? -Kalifornien hatte eine Massenhochzeit stattgefunden, was eine verfassungsrechtliche Diskussion ausgelöst hatte. Georges Vater hatte ihm bereits zu Beginn seiner ersten Wahlkampagne gesagt, er könne sich nicht vorstellen, warum jemand dieses Amt überhaupt haben wolle. Aber jetzt saß George nun einmal in der selbstgewählten Falle.
Sein Telefon klingelte. Er beugte sich vor. Drückte den Knopf. »Ja, Kim?«
»Sie sind hier, Sir.«
»Danke. Ich bin gleich so weit.« Dann drehte er sich wieder zu Laurie um. »Sonst noch was?«
»Soweit ich weiß, haben Maurice Barteau und seine Leute ein Kind geklont.«
»Okay.« Dass damit zu rechnen gewesen war, hatte George bereits gewusst. Natürlich hatte er keine Kontrolle über die Franzosen. Aber über den Vereinigten Staaten hatten sich bereits genug Gewitterwolken gesammelt. Das war genau das, was George jetzt noch brauchte: ein weiteres Fass mit Auseinandersetzungen, das aufgemacht würde! »Danke, Laurie. Ich glaube, ich werde mich einfach eine Weile unter dem Schreibtisch verkriechen.«
Laurie lächelte. »Eines noch, Sir.«
»Ich bin nicht sicher, ob ich das im Moment noch schultern kann.«
Sie räusperte sich. Bedachte ihn mit einem sonderbaren Blick.
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