Das Cassandra-Projekt: Roman (German Edition)
enormen Kürzungen auf militärischem Sektor. Globale Epidemien. Hunger in weiten Teilen der Welt. Fortschreitende Klimaprobleme. Dennoch, an diesem einen Tag durfte George feiern.
Er schaute auf die andere Seite des Büros, wo der antike VHS-Player aufgebaut war, mit dessen Hilfe sie das Band abgespielt hatten. Das Band selbst lag nun sicher in der verschlossenen unteren Schublade von Georges Schreibtisch, zusammen mit der zweiten Plakette. »Blackstone wird die Geschichte verbreiten, weil er sie geglaubt hat. Weil sie ihn gut dastehen lässt. Beweist, dass er recht hatte und wir nicht. Das ist alles, was ihn interessiert. Ihm ist egal, ob Zivilisationen zusammenbrechen oder ob das Wissen darum negative Auswirkungen auf die Nation haben wird. Ob er die Leute entmutigt, die jetzt schon anscheinend endlose Kriege kämpfen müssen. Oder ob das gerade jetzt ungünstige Folgen für eine Nation hat, die immer noch versucht, ihrer gottverdammt miesen Wirtschaftslage zu entkommen.«
»Tja, da haben Sie recht, George. Ich hätte nur nicht gedacht, dass Blackstone es schluckt. Würde man dem Durchschnittstypen auf der Straße sagen, dass die Welt auseinanderfalle, würde der antworten: Was für eine Schande, ach, übrigens, wie haben die Giants gestern Abend gespielt? So sind wir eben. Und darum verstehe ich es nicht. Wenn Nixon sich eine Geschichte zurechtlegen wollte, warum dann nicht eine, die jeden aufschreckt? Beispielsweise eine Warnung vor einer bevorstehenden Invasion durch Außerirdische?«
»Ganz einfach, Ray. Er wollte die Russen ausreichend einschüchtern, damit sie die Klappe halten. Mit außerirdischen Invasoren hätte er das nicht geschafft.«
»Ich kann immer noch nicht fassen, dass er geglaubt hat, das würde funktionieren. Aber wie es aussieht, hat er das.«
»Ich glaube nicht, dass es mit durchschnittlichen Russen funktioniert hätte. Die hätten vermutlich genauso reagiert wie der Durchschnittsamerikaner. Aber die führenden Kräfte haben es ihm abgenommen. Teufel, Ray, Breschnjew und Kossygin waren Kommunisten. Materialisten. Keine Politiker wie Tricky Dick. Die sind auf andere Art an die Macht gekommen, und sie haben ihre eigenen Leute offenbar nicht sehr gut gekannt. Wie auch immer, denen hätte die Vorstellung, dass wir bereits auf dem Mond waren, nicht besonders gefallen. Also hatten sie Grund genug, das Vertuschungsmanöver zu unterstützen. Die Sowjet-Führung hatte nichts zu verlieren.«
George starrte den alten VHS-Player an.
Nixon hatte an einem Schreibtisch vor einem offenen Fenster gesessen. Im Hintergrund waren Palmen zu sehen gewesen. Vögel hatten gesungen. Aber trotz dieser friedvollen Umgebung hatte Nixon unverkennbar besorgt ausgesehen.
»Mr President«, hatte er gesagt und in die Kamera geschaut. »Ich hoffe, ich habe Ihnen keine Unannehmlichkeiten bereitet, aber ich war gezwungen, Maßnahmen zu ergreifen.« Er griff zu einem Stift und legte ihn wieder weg. »Wie Sie vielleicht wissen, haben wir gegen Ende der Amtszeit von Präsident Johnson durch Sonden erfahren, dass es auf der erdabgelegenen Seite des Mondes ein Bauwerk gab, eine Kuppel.
Im Zuge einer Konferenz im Dezember 1968 hat mich Präsident Johnson während seiner letzten Wochen im Amt darüber in Kenntnis gesetzt. Zu dieser Zeit deutete er an, dass er nicht gewusst habe, wie er darauf reagieren solle, und dass bekannt sei, dass bis dahin keine Sowjetmission zum Mond stattgefunden habe. Folglich gebe es nur eine Erklärung für diese Kuppel: Wir hätten Besuch gehabt.
Präsident Johnson hat die Information mit der höchsten Geheimhaltungsstufe belegt und eine geheime Mondmission in die Wege geleitet, um das Objekt genauer zu untersuchen. Er wusste nicht, ob ihm das gelingen würde. Und seine Amtszeit lief ab. Am Ende, so meinte er, werde die Sache dann in meine Verantwortlichkeit fallen. Wie immer ich mich entschiede, ob ich die Angelegenheit weiter verfolgen oder aufgeben würde, er bot mir an, mich jederzeit an ihn zu wenden, und sagte mir, er wolle mir helfen, so gut er nur könne und trage meine Entscheidung mit, wie immer sie auch ausfalle.«
Für einen Moment saß der ehemalige Präsident stumm da und schien an sein Gespräch mit seinem Vorgänger zurückzudenken. »Ich dachte, er macht Witze. Da wurde er ärgerlich. Wir waren allein im Oval Office, und er hatte unser Gespräch damit begonnen, mir zu meinem Wahlsieg zu gratulieren und mir zu sagen, dass er hoffe, ich hätte mehr Glück als er mit diesem Krieg.
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