Das Cassandra-Projekt: Roman (German Edition)
nahm ihren Chef beim Arm und führte ihn in Richtung Studio.
»Hallo, Mr Blackstone«, sagte der Regisseur, als Bucky den schalldichten Aufnahmeraum betrat. »Möchten Sie lieber stehen oder sitzen?«
»Ist mir egal.« Bucky musterte das Studio. »Ich sehe keinen Tisch und keinen Stuhl, also werde ich stehen. Wo soll ich hin?«
»Dort drüben wäre gut«, meinte der Regisseur und zeigte auf einen bestimmten Punkt. »Ich werde die Teleprompter da hinüber …«
»Machen Sie sich keine Mühe! Die brauche ich nicht.«
»Der Anti-Obama«, sagte der Regisseur mit einem Lächeln.
»Ich benutze niemals vorgefertigte Texte. Daher muss ich nie etwas ablesen.«
Der Regisseur schaute ihn zweifelnd an. »Soll das heißen, Sie wollen aus dem Stegreif zu dreißig Millionen Menschen sprechen?«
»Vierzig Millionen«, warf Gloria ein.
»Wie viele auch immer«, meinte der Regisseur.
»Ja, genau, das will ich«, bestätigte Bucky.
»Ich habe sechs Präsidentschaftswahlkämpfe begleitet«, sagte der Regisseur. »Niemand hat so etwas getan.«
»Vielleicht ist das der Grund dafür, dass wir so viele Probleme haben«, meinte Bucky. »Sagen Sie mir, wann ich mich dorthin stellen soll, und lassen Sie jemanden mir einen Countdown geben, wenn ich dort bin!«
Er entdeckte einen Klappstuhl und setzte sich vollends entspannt hin, während all die, die ihn kannten und auch die, die ihn nicht kannten, den vollkommenen Mangel an Anspannung in seinen Zügen und seiner Haltung bewunderten. Präsidenten, die jede Woche zum Volk sprachen, vertieften sich üblicherweise in ihre Notizen oder übten ihre Eröffnungsworte noch drei Minuten, ehe sie vor die Kamera traten. Aber wie Bucky schon gesagt hatte: er kandidierte nicht für irgendein Amt, und niemand konnte ihm nehmen, was sein war.
»Also gut, Mr Blackstone«, sagte der Regisseur. »Gehen Sie bitte in Position!«
Bucky stand auf und ging zu der Stelle, die ihm gezeigt worden war.
»Gut. Sehen Sie immer in die Kamera, an der das rote Lämpchen brennt!«
»Ich sehe in diese«, erklärte Bucky und zeigte auf die nächste der drei Kameras. »Sie können machen, was Sie wollen, aber ich werde die ganze Zeit dorthin sehen.«
»Bitte, Mr Blackstone, ich bin der Regisseur!«
»Und ich bin der Typ, der für die Sendezeit bezahlt. Solange das niemand vergisst, werden wir gut miteinander auskommen.«
»Das bezweifle ich«, murmelte der Regisseur.
»Dann kaufe ich den Sender und komme gut mit Ihrem Nachfolger aus«, meinte Bucky, woraufhin der Regisseur in Schweigen verfiel.
Eine Maskenbildnerin kam herein, um Bucky ein paar Schweißperlen von der Stirn zu tupfen. Er aber schüttelte nur abwehrend den Kopf, woraufhin sie kehrtmachte und davonging.
»Zwanzig Sekunden«, bemerkte der Regisseur.
Bucky räusperte sich.
»Zehn.«
Der Countdown lief weiter bis null, und dann hörte Bucky eine Stimme sagen: »Wir senden jetzt eine persönliche Ansprache von Morgan Blackstone, dem Eigentümer von Blackstone Enterprises.«
Du hättest ruhig auch Blackstone Industries und Blackstone Corporation erwähnen dürfen!, dachte Bucky verärgert, als das rote Lämpchen aufleuchtete.
»Guten Abend, meine Damen und Herren … und ausgewählte Politiker«, fügte er lächelnd hinzu. »Mein Name ist Bucky Blackstone, und ich bin hier, weil ich mit Ihnen über ein wichtiges Thema reden möchte.
Zunächst ein paar Hintergrundinformationen. Seit der letzten Apollo-Mission, seit zum letzten Mal ein Mensch den Fuß auf eine andere Welt als unsere eigene gesetzt hat, ist fast ein halbes Jahrhundert vergangen. Es fehlt nicht viel, wir müssten diesen Umstand als Schande bezeichnen. Die Erde ist Teil eines Sonnensystems, einer unter mehreren Planeten, die einen Stern umkreisen. Man nimmt an, dass es in unserer Galaxis, die wir salopp als Milchstraße bezeichnen, mehr als hundert Milliarden Sterne gibt. Und man nimmt an, dass es mehr als hundert Milliarden Galaxien im Universum gibt. Mittels des Hubble-Teleskops konnten wir lernen, dass es mehr Sterne gibt, die Planeten haben, als solche, die keine haben. Es gibt über eine Milliarde Typ-G-Sterne in der Milchstraße, also Sterne vom gleichen Typ wie unsere Sonne. All das ist nur eine umständliche Methode, Ihnen zu erklären, dass es da oben eine Menge Land gibt, von dem vermutlich ein guter Teil bewohnbar ist, und dass wir irgendwie das Interesse daran verloren haben.
Ja, ich weiß, jeder Präsident der USA hat festgestellt, er könnte Besseres mit dem Geld
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