Das Chamäleon-Korps
abschließbare Tür des Apartments. Gegenüber erschien ein Teil von Kaths Gesicht in der Türspalte. „Hier drüben, Will. Turkus ist zurückgekommen, und wir versuchen gerade, den alten Mr. Grout etwas aufzuheitern, weißt du.“
„Bist du sicher, daß ihr euch dafür das Richtige ausgesucht habt?“ Das Apartment von Grout war aus dem ehemaligen Freizeitzimmer entstanden, das an die beiden Zimmer grenzte.
„Das war Turkus, aber er kann nichts dafür“, sagte das Mädchen, nachdem Jolson eingetreten war.
Turkus war sechs Fuß groß; er saß, eine riesige Metallgitarre auf den Knien, in einem Zuschauersessel. Sein Schlagarm bestand vom Ellenbogen abwärts aus genarbtem Chrom, genauso wie der Teil, der von seinem rechten Bein zu sehen war. „Kath hat mir erzählt, daß du sie vor den Stadtis gerettet hast“, sagte Turkus. Eine seiner Schultern zuckte, und er begann wieder zu spielen. „Ist ’ne fiese, alte Welt, um drin zu leben, ist ’ne fiese alte Welt, um drin zu leben.“ Er hörte auf und lächelte bedächtig. „Tut mir leid. Ein paar von meinen Teilen gehörten mal zu einem tingelnden Androidensänger – zu Hause, wo ich herkomme. Er muß eine Menge Countrysongs gesungen haben. Ich mache auch ziemlich oft welche. Als ich aufwuchs, habe ich ein paar Verbesserungen und Ergänzungen eingebaut, aber sein Repertoire scheint nicht zu erschüttern zu sein.“
„Wenn man auf dem Misthaufen liegt, ist einem jede Gesellschaft recht“, sagte Grout. Er war ein Mann undefinierbaren Alters und hatte wahrscheinlich Übergewicht. Sein Haar war flauschig und farblos, und er trug eine randlose Brille. „Mit zweiundfünfzig schon über den Jordan. Ihr Jungen, ihr versteht das nicht. Aber es ist immer noch besser, Leute um sich zu haben, die nichts verstehen, als überhaupt niemanden.“ Er hob eine Hand und ließ sie auf dem Kontrollpaneel des Freizeitraums ruhen. „Ich kann dir leider nichts anbieten, junger Bursche, weil ich nämlich so gut wie kein Geld habe.“ Er legte einen Hebel um, und auf der gegenüberliegenden Wand erschienen nackte Ballettänzerinnen, die nicht ganz deutlich zu erkennen waren. „Alles, was ich hier empfangen kann, sind diese gräßlichen Bildungsprogramme von einem Vegetariersatelliten. Ich fordere andauernd einen Mechaniker der Wohlfahrtspatrouille an, aber sie sagen, daß mich die Bildungsprogramme vielleicht so sehr weiterbilden werden, daß ich schließlich einen Job auf dem Arbeitsmarkt finde. Aber wer würde schon einen zweiundfünfzigjährigen nackten Ballettänzer einstellen?“
„Kath“, sagte Jolson leise zu ihr, „ich habe alles, was du brauchst. Wir sollten bald gehen.“
Sie legte die Finger an den Mund und biß auf einen Knöchel. „Meinst du wirklich, daß ich Esperanza verlassen sollte?“
„Ja.“
Grout drückte auf einen Schalter, und die Wand wurde einen Augenblick lang kahl, dann erschien ein orangefarbener Schneesturm. „Dies ist der Wetterbericht der Königlichen Meteorologischen Gesellschaft. Schneefälle, gefolgt von stürmischen Winden. Alle Krabbenfänger bleiben im Hafen.“
„Ich weiß nicht einmal genau, von welchem Planeten die Wetterberichte stammen“, sagte Grout. „Dieses Zimmer ist ja so was von kaputt! Ich wüßte doch wenigstens ganz gern, wo es nun eigentlich schneit. Oder auch, was eigentlich eine Krabbe ist. Wenn man sich auf der falschen Seite von zweiundfünfzig Jahren befindet, dann hegt und pflegt man jedes kleine bißchen an Informationen.“
„Nur ein wenig näher bei dir“, sang Turkus und entschuldigte sich.
Kath legte die Handflächen auf ihre Hinterbacken. Sie nickte. „Ja, Will, dann gehen wir wohl.“
Grout sagte: „Wenn man erst mal ein alter Knacker ist, dann will einen niemand mehr haben. Ich gehe einmal die Woche runter zur Berufungslotterie. Ich habe niemals Glück, niemals. Einmal haben sie mir auf Murdstone einen Job als Zeitungsausträger angeboten, aber dazu hätte ich ein eigenes Motorrad haben müssen. Man hat mir sogar den Job eines Schornsteinfegers in diesem Gebäude hier angeboten. Unmöglich für jemanden von meiner gedrungenen Statur, das habe ich ihnen dann auch gesagt. Früher, als es mir noch besser ging, war ich freischaffender Sargträger. Ich bin nach Esperanza emigriert, weil ich mir dachte, daß es ja hier wohl mehr als genug Arbeit für einen Sargträger geben müßte. Aber ich hatte nicht mit den Gewerkschaften gerechnet. Bei den paar Beerdigungen, für die ich angeheuert wurde, hat
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