Das Chamäleon-Korps
mit.“
„Wohin?“
„Heute ist dein Vibra-Therapietag.“
„Stimmt.“ Andy der Pfeifer lehnte die Gitarre an die Wand. „Ich sing’ das Lied später für dich zu Ende, Simeon. Wenn du’s hören möchtest.“
„Gerne“, sagte Jolson. „Ich würd’s sogar gerne lernen.“
Die Stimme des Meditationsleiters drang durch ein Lautsprechergitter unter seiner Pritsche hervor. Jolson massierte seine bärtigen Wangen und schnitt eine Grimasse in Richtung Tür. Die Meditationszeit war schon fast vorüber, und Andy der Pfeifer war noch nicht zurückgekommen. Jolson hatte sich ausgemalt, daß es nicht allzu schwer gewesen sein dürfte, beim heutigen Nachmittagsbesuch bei Dr. Reisberson den Platz des Folksängers einzunehmen.
Die blecherne Stimme des Meditationsleiters wurde mitten in einer Metapher abrupt abgeschnitten, und die Tür wurde entriegelt und ging auf. Es war nicht Andy Bürden der Pfeifer. Es war ein großer Mann in mittleren Jahren, der einen Arztkittel und eine schweinslederne Sanitätstasche trug. Sein Haar war blond, und er hatte einen nach oben gezwirbelten Schnurrbart. „Wie geht’s Ihnen heute, Simeon?“
Die Tür schloß sich hinter ihm, und Jolson antwortete: „Den Umständen entsprechend gut, Doktor!“
Der blonde Mann lachte. „Haha, reingelegt! Soweit also zu Ihrem Künstlerauge und Ihrer scharfen Beobachtungsgabe. Genau, wie ich’s Nana gesagt habe.“ Er riß seine Perücke und eine Hälfte seines Schnurrbarts herunter.
Jolson setzte sich ruckartig auf. „Waiden Thurman?“ Er erinnerte sich an dieses Gesicht aus seinen Schlafinstruktionen im APS. Thurman vom Staatsattentatsamt.
„So.“ Thurman hatte sich den restlichen Schnurrbart abgerissen. „Sie schätzen Nana falsch ein, Simeon.“
„Ach ja?“
„Sie mag ja untreu sein“, sagte der Attentäter, „aber glauben Sie mir, sie würde sich nicht von Ihnen scheiden lassen.“
„Sehr tröstlich.“
„Also ist die einzige Möglichkeit, wie ich sie befreien kann, um sie heiraten zu können, die, daß ich Sie loswerde“, sagte Thurman, der ohne seine blonde Perücke fast kahlköpfig war. „Dann schauen Sie sich das hier mal an.“ Er zog ein Dokument aus Pergament aus der Sanitätstasche.
Jolson nahm das steife Papier entgegen und überflog es. „Offizielles Tötungszertifikat … befugt den Inhaber, die unten aufgeführte Partei zu eliminieren … Simeon Despojo, verrückter Künstler … Der Inhaber hat bei der Verfolgung seines Auftrags überall Zutrittsgenehmigung … Bedingungen auf der Rückseite. Hm.“
„Den Rest brauchen Sie nicht zu lesen, Simeon“, sagte Thurman lächelnd. „Es genügt wohl, daß ich Sie umlegen werde, ganz offiziell und legal, und danach Nana nehmen werde.“
„Sie können Nana sofort haben.“ Jolson schwang die Beine über die Pritschenkante.
„Natürlich. Sobald Sie tot sind“, sagte Thurman und tätschelte das Schweinsleder der Tasche. „Seit Monaten habe ich versucht, vom Staat freie Fahrt für ein Zertifikat gegen Sie zu bekommen. Seit ich Nana kennengelernt habe und mich Hals über Kopf in sie verliebte. Schließlich haben Sie mir selbst dabei geholfen, indem Sie dieses fürchterliche liberalistische Wandgemälde dort unten gepinselt haben.“
„Sie haben nachgeholfen, damit es so wurde, nicht wahr?“ fragte Jolson. „Während ich fort war und bevor Lickty es sich gründlich hatte anschauen können.“
Thurman nickte. „Kommen wir zur Sache.“
Jolson verlängerte abrupt sein linkes Bein, so daß sein Fuß hart in Thurmans Knie trat. Der Attentäter hüpfte hoch und ließ seine Tasche fallen. Jolson zog sein Bein zurück und sprang auf den Boden. Innerhalb
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