Das Chamäleon-Korps
qualmend. „Lickty hat sich gestern abend noch mal Ihr Wandgemälde beäugt und einen Watussi gehüpft. Wütend. Hielt das Werk für liberalistischer denn je. Hat sich gedacht, daß bei Ihnen im Oberstübchen der Kuckuck tönt und daß Sie hier für eine Weile in die Plemplemabteilung eingeliefert werden sollten.“ Sie klopfte auf seine nackte Brust. „Sind ja ein kräftig aussehender Strolch, das will ich Ihnen lassen. Bin ganz wild auf Männer mit wahnsinnig viel Körperhaar. Wächst Ihnen ja sogar aus den Ohren heraus.“
„Und meine Frau?“
„Der geht’s gut, und Grüße läßt sie Ihnen auch ausrichten.“ Die dicke Krankenschwester zeigte mit ihrer Zigarre auf einen Tisch neben Jolsons Pritsche. „Sie hat Ihnen sogar ein Mittagessen eingepackt, um es mit zur Verrücktenfarm zu bringen.“
„Und mein Anwalt?“
„Der ist drüben in der Nachbarabteilung. Hat sich herausgestellt, daß er auch gaga ist“, sagte ihm die dicke Krankenschwester. „Kopf hoch! Sie haben einen prima Stubenkameraden, Andy Bürden, den Pfeifer.“
„Wen?“
„Sie müssen doch von Andy Bürden dem Pfeifer gehört haben, dem umherziehenden Öko-Folksänger. Er ist vor etwa einer Woche durchgedreht.“
Jolson drehte sich um und erblickte einen schlaksigen blonden Mann, der gegenüber ausgestreckt auf einer weiteren Pritsche lag. „Für einen Wandersänger ist er aber verdammt ruhig.“
„Nachts müssen wir ihn unter Drogen setzen, sonst gibt es bis zum Morgen nichts als Pfeifen und Beschwerden. Tagsüber ist er nicht so schlimm. Macht direkt Spaß, das werden Sie noch merken. In einer halben Stunde gibt es Frühstück. Wenn Sie nicht lieber das hübsche Freßpaketchen auffuttern wollen, das Ihre Frau Ihnen eingepackt hat.“
„Nein, Despojo wird auf das offizielle Frühstück warten.“ Die Krankenschwester öffnete die Tür des Zimmers, indem sie ihre Hand auf das Zehnfinger-Gewindeschloß legte. Jolson hörte, wie es sich von selbst wieder verschloß, nachdem sie gegangen war. Er beobachtete den schlafenden Pfeifer Andy einen Augenblick lang, dann legte er sich zurück und blickte an die niedrige, lederfarbene Decke.
Andy Bürden der Pfeifer sagte: „Zum Glück haben sie mir meine zwölfsaitige Gitarre gelassen.“
Jolson, der auf einem Gummiplaststuhl saß und gerade sein Sojaessen beendete, sagte: „Despojo hat jetzt genug Öko-Folksongs gehört.“
Der magere hagere Pfeifer Andy sagte: „Ich singe dir nur noch dieses eine Medley aus Müllabfuhrballaden vor, Simeon.“
Jolson grunzte und rieb sich die Sojakrumen aus dem Bart.
Andy der Pfeifer sagte: „Dieses Lied heißt Der neue Abwasser-im-Fluß-Sprech-und-Pfeifblues. Das Wort ‚neu’ im Titel bezieht sich nicht auf das Abwasser, sondern auf die Tatsache, daß dies eine neue Version dieses Lieds ist. Wenn du den Song auf meiner populären Kassettenversion gehört oder gesehen hast, wie ich ihn in der Sendung Onkel Verschmutzungs Kinderstunde aufgeführt habe, dann wirst du sofort merken, daß diese neue Version im Text viel kämpferischer ist. Ganz zu schweigen vom Pfeifen.“ Andy der Pfeifer strich mit einem schwieligen Daumen über die Saiten. „Doc Reisberson hat mir gesagt, daß er diese Fassung für hundertprozentig wirkungsvoller hält. Oh, ich bin heute morgen aufgewacht (twäng), und das Abwasser lief (twäng-twäng) an meiner …“
„Dr. Reisberson?“ unterbrach Jolson ihn. „Dr. Reisberson von der Abteilung für Unkonventionelle Waffen?“
„… Tür vorbei (twäng). Oh, ich wachte auf (twängi-twäng) heute morgen … Ja, das ist er, Simeon. Unterbrich mich nicht so. Ich meine, ich würde dich ja auch nicht am Ellenbogen zupfen, während du gerade eine epische Gestalt malst … Heute
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