Das Chamäleon-Korps
Kaffeehaus.
„Uff“, meinte Waycross. „Die Aufseher von Dekan Riding machen eine Razzia. Kommen Sie!“ Er führte Jolson auf das Spielzimmer zu. „Hinterausgang.“
Einen Augenblick später rannten Jolson und Waycross zusammen mit etwa zwanzig weiteren studentischen Agitatoren und Glücksspielern durch eine gelbgeziegelte Hintergasse.
Darüber hatten die Spionageleute Jolson nichts erzählt.
Die Perma-Herbstblätter waren so programmiert, daß sie herabfielen, wenn der Campanile die volle Stunde schlug. Jolson duckte sich, um einem großen Blatt auszuweichen, und ging dann einen Kiesweg entlang, der zum Naturwissenschaftskomplex führte. Er war nun ein exakter körperlicher Doppelgänger von Miguel Waycross und trug ein geliehenes zitronengelbes Jackett sowie hellblaue Hosen mit Rüschen an den Knöcheln.
Das Amt für Politische Spionage – das Befehlsgewalt über das CK ausübte – war der Meinung, es sei besser, wenn Professor Nibblett von jemandem kontaktiert wurde, der als Student verkleidet war. Waycross’ Vater war wahrscheinlich bei einer Planungs- oder Vorplanungsgruppe dabeigewesen. Wäh rend eine künstliche Brise um seine Knöchel strich und seine Hosenbeine aufblähte, sehnte Jolson sich nach dem Töpfereigroßhandel. Wenn man einmal Mitglied im Chamäleonkorps geworden war, war man praktisch immer im Dienst.
„Aha!“ rief eine scharfe, nasale Stimme.
Jolson blieb stehen und drehte sich um. Dieser Teil des Pfads führte durch eine Gruppe echter Bäume. Drüben stand ein Mann mittleren Alters an einer Rokokowerkbank. Er war lang und schlank und blickte ihn hämisch an. „Sir?“ fragte Jolson.
Der Mann, dessen glattes, schwarzes Haar in der Mitte gescheitelt war, blähte seinen Schnurrbart auf. „Sie haben meine Order ignoriert, zu einem Plauderstündchen bei mir vorbeizukommen, Waycross.“ Er hob ein paar Dornenhandschuhe von der Werkbank auf. „Muß sagen, daß Sie mir besser gefallen haben, als Sie noch ein harmloser, versoffener Penner und ein verteufelter Wüstling waren.“
Die Handschuhe flogen auf Jolson zu, und er schritt beiseite, um sie auf den Boden scheppern zu lassen. „Könnten wir vielleicht einen neuen Termin ausmachen, Sir?“
„Ein nicht wahrgenommener Termin gibt mir andere Vorgehensmöglichkeiten“, sagte der Mann. Er zog sich gerade selbst ein Paar Dornenhandschuhe an. „Sie kennen die Regeln des Dekanats. Erst eine Order, dann ein Verweis, dann das Feld der Ehre.“
Weiß Gott, Waycross schien eine immer ungünstiger werdende Wahl zu sein. „Ach ja?“ Jolson beugte ein Knie und hob die Handschuhe auf. „Na gut, Sir.“ Das war offensichtlich Dekan Riding.
Riding hatte seine Handschuhe nun an und duckte sich. „Fahren wir fort, Waycross. Ich brenne auf Genugtuung.“ Er schlitterte über das synthetische Gras und blieb auf einem Fuß vor Jolson stehen.
„Ist das nicht in Wirklichkeit ein ideologischer Konflikt?“ fragte Jolson. Er bekam den zweiten Handschuh nicht richtig an. Sein Daumen rutschte immer in das Mittelfingerloch.
Dekan Riding zog eine Grimasse und machte mit der gepanzerten Linken einen Ausfall. „Ich weigere mich, die Entjochungsbewegung aufzuwerten, indem ich sie ideologisch nenne!“ Er rammte die Rechte in Jolsons Magengrube.
„Uff!“ sagte Jolson und machte Fahrradfahrerbewegungen.
„Kartentische auf dem Gelände der Fakultät aufstellen, wie?“ rief der Dekan und hieb Jolson auf die Wange. „Während der Vorlesungen Flugblätter verteilen!“ Noch ein Hieb. „Gleiche Sendezeit auf dem Bildungskanal fordern! Ich werde Ihnen beibringen, daß es hier keine Gleichheit gibt, Sie Parvenü!“
„Na
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