Das Chamäleon-Korps
Gondel.“
Sie befanden sich an einem Seitenkanal hinter Mutter Blaudrossels Etablissement. Ein dichter Nebel verwischte die Rokokogebäude und ihre fleckigen gelben und rosa Stuckmauern. „Warum sagst du mir nicht jetzt die anderen Einzelheiten, die du mir auf dem Podest versprochen hast, John. Ist doch nicht nötig, daß du diese Reise auch selbst unternimmst.“
„Ich laß dich nicht allein gehen, Mr. Tunky.“ Blind John kletterte in die Gondel und setzte sich. „Bist du da, Mr. Tunky?“
„Direkt neben dir, John.“
„Wo darf ich Sie hinbringen, Mr. Dove?“ fragte der Gondelmann hinter ihnen.
„Zur Kreuzung des Hauptkanals mit dem Fünften Kanal.“
„Mit Vergnügen.“
Der elektrische Motor surrte los, und die Gondel entfernte sich von den schwarzen Steindocks und bewegte sich auf den breiten nächtlichen Kanal hinaus.
Jolson fragte den Schwarzen: „Bist du sicher, daß diese Freundin von mir Probleme hat?“
„Ich erfahre so ziemlich alles, was in der Zone passiert, Mr. Tunky“, sagte Blind John. „Deshalb wollte ich auch mit dir reden. Bei Mutter Blaudrossel mußte ich vorsichtig sein, aber ich dachte mir, daß du mein Lied verstehen würdest. Du und ich, Mr. Tunky, wir beide haben vieles gemeinsam. Ich meine damit nicht, daß du auch die Last des Blindseins oder des Schwarzseins tragen müßtest oder sonst irgendwelche Krankheiten. Aber du bist und bleibst doch eben auch einer, der wie ich durch die Gegend zieht. Wir sollten einander helfen.“ Er griff in der Luft herum, bis er Jolsons Arm gefunden hatte. „Heute morgen in der Frühe war ich hinter der Haupttheke von Mutter Blaudrossel und zischte gerade ein paar weiße Blitze runter. Ich war ein bißchen versteckt und hab’ ein paar von den wilden Jungs gehört, die sich unterhielten. Wenn man in dieser runden, rollenden Welt überhaupt nichts sehen kann, dann hört man genauer zu. Ich hab’ gehört, wie sie über dich geredet haben, Mr. Tunky. Ich hab’ bei mir gedacht: ‚He, Blind John, die meinen wohl denselben Mr. Tunky, der diese Kassettenaufnahme vom Ich-schleiche-durch-die-Müllhalde-zurück-zu-dir-Dirty-Mama-Blues gemacht, der dir in deinen einsamen Stunden so viel Freude bereitet hat!“
„Was waren das für Jungs?“
Blind John drückte Jolsons Arm fester und berührte dann sein eigenes rechtes Ohr. „Ich kann ja nichts sehen, weil ich so blind bin, aber hören tu’ ich außergewöhnlich gut. Ich hab’ die Jungs alle schon an ihren Stimmen erkennen können. Sie heißen Little Billy, G. George und Sinc. Vor diesem Sinc mußt du dich hüten, denn das ist der größte und gemeinste von allen. Er ist der einzige, von dem ich wirklich mit Sicherheit weiß, daß er Leute umgebracht hat.“
„Und sie haben meine Bekannte Daisy Anne erwähnt, John?“
„Wie ich es dir auf der Bühne zugeflüstert habe. Daisy, die Gänseblume, ja. Die Jungs meinten, sie sei irgendeine Art von Spionin, und sie hätten das rausbekommen“, sagte der Bluessänger. „Als sie heute wieder in der Zone auftauchte, haben sie sie erwischt. Jetzt halten sie sie in dem kaputten Palast hinten am Ende des Fünften Kanals fest, in dem sie hausen.“
„Wie haben sie sie mit mir in Verbindung gebracht?“
„Na ja, sie ist doch eine Freundin von dir, nicht wahr?“
„Das stimmt, John. Aber ich bin noch nie in der Zone gewesen, und mich interessiert doch, woher diese Burschen wissen, wen ich kenne, ohne mich zu kennen.“
„Sie haben euch zusammen gesehen“, erwiderte Blind John. „Wenn so’n Stinker nicht gerade blind ist, dann sieht er schon, was los ist. Ein paar von ihnen haben euch wohl zusammen gesehen, bevor du hierhergekommen bist. In einer von diesen Städten der reichen Leute.“
„Na, das mag wohl möglich sein.“ Ihre Gondel fuhr jetzt den Hauptkanal entlang und bewegte
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