Das Chamäleon-Korps
Den-Kopf-auf-dem-Schafott-und-mit-einem-Fuß-im-Grab-Sprechblues aufgenommen hat?“
„Jawohl, Ma’am, derselbe Tunky Nesper. Das bin ich“, sagte Jolson. „Haben Sie vielleicht ein Paar trockene Schuhe in Ihrem Büro, Mrs. Gomes?“
„Einhundert Paar“, sagte sie. „Wir haben Zeug für den Flohmarkt gesammelt. Ich kann Ihnen auch trockene Kleidung geben. Vielleicht sogar eine neue Gitarre, denn Ihre haben Sie ja anscheinend verloren.
Dafür müssen Sie mir allerdings ein Interview geben. Viele unserer jungen Leser möchten gerne etwas über Leute wie Sie erfahren.“
„Das klingt ja richtig nett, Mrs. Gomes, obwohl ein paar von Ihren jungen Einwohnern hier eine Bekannte von mir geschnappt haben und ich sie ihnen so schnell wie möglich wieder wegschnappen möchte.“
„Oh, das klingt nach einer noch viel interessanteren Story!“ sagte die Redakteurin. „Kommen Sie rein und ziehen Sie sich um, dann können wir schnell weg. Ach, wie sind Sie denn überhaupt erst einmal im Kanal gelandet?“
„Darüber kann ich Ihnen später auch noch einiges erzählen.“
Das Mädchen befand sich irgendwo in der nebligen Seitenstraße und schrie. Es war nicht Daisy Anne. Jolson, der einen weißen Anzug aus Fastbaumwolle und gelbe, halbhohe Stiefel trug, verließ die Passage, die parallel zum Fünften Kanal verlief, und trat in die Seitenstraße.
„Halt deine verdammte Fresse, du dreckiges Stück Abschaum!“ befahl eine Stimme im Nebel. „Dieses Töten ist für mich eine echte Therapie, und das laß ich mir nicht von deinem Gekrächze verderben. Das geht mir auf den verdammten Wecker!“
„Hilfe! Hilfe!“
Jolson ging weiter die gepflasterte Straße entlang.
„Jetzt halt endlich dein quakendes Maul, du Prostimieze! Siehst du, was du jetzt angerichtet hast? Ich habe mein verdammtes Messer fallen lassen. Verflucht noch einmal!“
„Ich bin kein gefallenes Mädchen, du Penner! Ich gehöre zu den Erlösungssoldaten. Siehst du denn meine Schulterabzeichen nicht?“
„Wer kann in diesem verdammten Nebel schon irgendwas erkennen?“ fragte Ripper. „Außerdem macht es auch keinen großen Unterschied. Ich meine, die Therapie besteht in der Tat. Ich hab’ jetzt keine Zeit, mir irgendeine andere Mieze zu suchen.“
Jolson sprang Ripper leise an und nahm ihn in den Würgegriff. Dann packte er die Messerhand und schlug sie über sein Knie. Die blitzende Waffe schepperte auf den nebligen Steinboden hinab.
Ripper grunzte: „Verdammt, ich dachte, du wärst inzwischen schon eingepökelt.“
Jolson verpaßte ihm drei harte Handkantenschläge an den Hals, und Ripper fiel zu Boden. Sein schwarzer Umhang verdeckte ihn.
„Danke“, sagte das brünette Mädchen vom Erlösungskommando und erhob sich. „Ich möchte mich dadurch revanchieren, daß ich Sie zu einem schönen warmen Abendessen in unserer Mission einlade. Heute abend gibt es Hackbraten.“
Jolson fragte: „Wie weit ist es von hier bis zum Palast?“
„Little Billys Palast?“
„Ja, der Palast.“
„Zwei Häuser und eine Kathedrale weiter“, sagte das Mädchen und rückte ihre Soldatenmütze gerade. „Da sollten Sie nicht hingehen. Es ist ein ungläubiger, gefährlicher Ort.“
Jolson fesselte und knebelte den bewußtlosen Ripper mit dessen eigenem Gürtel und den Halstüchern. Den schwarzen Umhang nahm er an sich. „Sie gehen jetzt besser nach Hause, Ma’am“, sagte er.
Jolson legte den Umhang über und verließ das Mädchen. Als er die Straße erreicht hatte, sah er aus wie Ripper.
19
Jolson stieg die Marmortreppe hoch und schritt in den riesigen, leeren Ballsaal des Palastes. Von der hohen Decke hingen fünf dunkle Kristallüster herab. Sie bestanden aus Schmiedeeisen und
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