Das Chaos-Casino
nichts zu tun zu haben, als unserem Freund beim Pennen zuzusehen.«
Einer der Wächter zuckte die Schultern und wollte auf die Schlafzimmertür zugehen, doch Max winkte ab.
»Das wird nicht nötig sein«, widersprach sie. »Ich denke, unser Gast hat jetzt lange genug geschlafen. Außerdem wird es langsam mal Zeit für ein kleines Gespräch. Laverna, würdest du wohl Herrn Narrisch wecken und ihn bitten, uns Gesellschaft zu leisten?«
»Nein.«
Die plötzliche Heftigkeit in der Stimme ihrer Beraterin erschreckte Max fast ebensosehr wie die ungewohnte Befehlsverweigerung.
»Wie bitte, Laverna?« Sie blinzelte, mehr um Zeit zu gewinnen und ihre Gedanken zu sammeln, als um eine Wiederholung zu hören.
»Ich habe gesagt: Nein!« wiederholte Laverna kopfschüttelnd. »Ich halte mich ja meistens aus diesem Geschäft heraus und kümmere mich nur um die Bücher, und ich weiß, daß du ihn früher oder später wirst umbringen müssen« - sie fixierte Maxine mit einem harten Blick - »aber ich möchte Beeker niemals sagen müssen, daß ich mich an einer Mißhandlung seines Gentleman beteiligt habe, als er sich in unserer Obhut befand. Ich sage, wenn der Mann schlafen will, soll er schlafen! Sonst such dir jemand anderes, der ihn aufweckt. Ich werde es jedenfalls nicht tun.«
Bevor Maxine eine Entscheidung darüber gefällt hatte, wie sie mit dieser offenen Meuterei verfahren sollte, wurde sie ihr auch schon abgenommen. Die Schlafzimmertür ging auf und Narrisch trat heraus. Die Uniform sah zwar etwas zerknittert aus, doch ansonsten wirkte er entspannt und erfrischt.
»Kein Grund sich zu streiten, meine Damen«. Er lächelte, und seine Augen funkelten amüsiert. »Ich bin bereits wach. Dennoch, danke, Laverna. Ich werde es nicht versäumen, Beeker von Ihrer Fürsorglichkeit Meldung zu machen, wenn - oder sollte ich sagen falls - ich ihn wiedersehe.«
Er ignorierte den Wächter, der hinter ihm durch die Tür huschte, um sich den anderen anzuschließen, so wie die Wachen ihrerseits die Konversation im Zimmer meist ignorierten.
»Nehmen Sie Platz, Herr Narrisch«, sagte Maxine, legte das Buch beiseite und zeigte auf einen Sessel. »Ich nehme an, Sie haben Lavernas unglückliche Bemerkung über die Möglichkeit vernommen, Sie eliminieren zu lassen?«
»Das habe ich«, gestand Narrisch und ließ sich in den ihm zugewiesenen Sessel sinken, »aber das war ehrlich gesagt keine Überraschung für mich. Ich bin von Anfang an davon ausgegangen, daß man mich nur am Leben halten würde, damit ich, falls erforderlich, mit meinem Vater sprechen kann, um ihm zu versichern, daß ich bei guter Gesundheit bin. Wenn das Lösegeld erst einmal bezahlt worden ist ...«
Er zuckte die Schultern und ließ den Rest des Satzes unge sa gt.
»Dann glauben Sie also, daß er bezahlen wird?« hakte Max nach. »Verzeihen Sie meine Neugier, aber dies ist das erste Mal, daß ich mit jemandem vom Format Ihres Vaters zu tun bekomme.«
»Das weiß ich wirklich nicht«, meinte der Legionär gleichmütig. »Ehrlich gesagt, ich bezweifle es, aber er hat mich schon öfter überrascht.«
»Wenn Sie mir eine Bemerkung gestatten wollen, Herr Narrisch«, meinte Maxine. »Sie scheinen die Angelegenheit ziemlich gelassen hinzunehmen.«
»Ich betrachte sie als Preis für die Dummheit«, erwiderte Narrisch und verzog dabei das Gesicht. »Ich habe mich so sehr davon einfangen lassen, den Komplex und Gunther Rafael und meine Truppe zu sichern, daß ich vollkommen die Möglichkeit meiner eigenen Gefährdung übersah, bis ich die Tür öffnete und Ihre Assistenten dort mit ihren Waffen vor mir erblickte, die sie auf mich gerichtet hielten. Sie sind übrigens sehr gut.«
Er hielt inne, um den Wachen mit einem Nicken seine Anerkennung auszusprechen, doch die ignorierten ihn.
»Wie dem auch sei«, fuhr er fort, »ich sagte es bereits, es war eine dumme Nachlässigkeit, und Dummheit ist auf meiner Ebene unverzeihlich. Sie ist auch meistens tödlich, entweder physisch oder finanziell. Von Rechts wegen hätte ich schon im selben Augenblick tot sein müssen, da ich die Tür öffnete, ohne vorher nachzuschauen, und so betrachte ich angesichts der Möglichkeit meines Dahinscheidens alle Zeit, die ich noch lebe, als einen Bonus, anstatt mir Vorwürfe zu machen, zu resignieren oder es mit irgendwelchen fruchtlosen Heldentaten zu versuchen. Wir müssen schließlich alle einmal sterben, stimmt’s?«
»Das stimmt«, bestätigte Maxine nachdenklich, »obwohl ich es irgendwie
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