Das Chaos-Casino
betraf. Oberhalb der Gebäude, wo die Gravitation abrupt geringer wurde und die physikalischen Beschränkungen der Ingenieurskunst keine Geltung mehr hatten, wiesen die Casinos spektakuläre Leuchtdekorationen auf, die beinahe völlig frei in der >Luft< schwebten und um die Aufmerksamkeit der vorbeiziehenden Touristen buhlten. Diese Reklamen um den >Strip< sorgten dafür, daß das Innere fast taghell war - aber eben nur fast, da die Wattzahl sorgfältig ausgesteuert wurde, um oberhalb der Casinos die Illusion der Dunkelheit zu erzeugen, was wiederum die Lichteffekte verstärkte. Es gab auf Loreley weder Tag noch Nacht, nur ein ewiges Zwielicht, durch das Touristen, Urlauber und natürlich auch Spieler gingen, fuhren oder schließlich als Folgeerscheinung ihrer Vergnügungen auch taumelten. Die einzige Konzession an die Normalität bestand darin, daß die Zimmer der Casinohotels Verdunkelungsvorhänge besaßen, damit man das Licht wenigstens dann aussperren konnte, falls und wenn man schlafen wollte.
Natürlich wurde auf Loreley große Sorgfalt auf die Pflege der Illusion verwandt, daß niemand jemals schliefe. Die Casinos schlossen nie; ebensowenig die Restaurants oder Läden.
Anstelle festgelegter Spielpläne wurden Unterhaltungsveranstaltungen >alle drei Stunden< angekündigt, deren Zweck darin bestand, die Leute von einem Casino ins andere zu locken. Kurzum, auf Loreley herrschte eine Atmosphäre der Rast- und Zeitlosig- keit - und das aus einem bestimmten Grund. Je länger die Leute spielten, um so besser für die Casinos. Wenn es auch gelegentlich >Gückstreffer< oder gar eine »Glückssträhne« gab, brauchten die Spieler nur lange genug ihre Einsätze zu tätigen, bis die Bankchancen dafür sorgten, daß nicht nur ihre etwaigen Gewinne, sondern auch alles andere Kapital, das sie zu verlieren bereit waren, in den Casinotresoren endeten.
Das war die wirkliche Falle des Gesangs der Loreley, und viele, die in einem privaten Raumschiff eingetroffen waren, verließen den Planeten mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Andere, die sich nicht einmal das mehr leisten konnten, wurden vom Arbeitsmarkt der Station absorbiert, bis sie genug Geld verdient hatten, um davonzukommen, was aber nur selten geschah, da sie meistens immer wieder den Versuchungen der Spieltische erlagen und verzweifelt versuchten, ihr Kapital >aufzustocken<, während die Häuser angesichts dieser Bemühungen nur gelangweilt gähnten und ihre Ersparnisse einstrichen. Wer es tatsächlich schaffte, mit dem feierlichen Eid zu entkommen, nie wieder hierher zurückzukehren, wurde schnell durch die nächste Schiffsladung williger Gesichter und dicker Brieftaschen ersetzt, die jeweils ihr Vergnügen suchten und darauf hofften, durch ein glückliches Kartenblatt über Nacht ein Vermögen zu machen.
Es schien einen schier endlosen Nachschub dieser Ersatzleute zu geben, weil die Publicity-Maschine von Loreley gnadenlos effizient und unermüdlich in ihrem Streben war, dem Publikum immer wieder neue Verlockungen für einen Besuch auf Loreley zu bieten. Daher konnte es Kenner nicht überraschen, daß die Medien aufmerksam geworden waren und bereits warteten, als der Omega-Mob oder die Chaos-Kompanie, wie man ihn auch nannte, schließlich auf Loreley eintraf.
»Verzeihen Sie, Herr Narrisch.«
Der Legionskommandant blieb stehen, keine zehn Schritt von der Gangway entfernt, und blinzelte überrascht die Gestalt an, die ihm den Weg versperrte. Der teigige Mann trug einen grün fluoreszierenden Einteiler mit großer blauer Fliege, was auf den ersten Blick den Eindruck machte, als hätte man es mit einem preisgekrönten Frosch zu tun.
»Genaugenommen heißt das >Hauptmann Joker<, wenn ich im Dienst bin«, berichtigte Narrisch ihn sanft.
»Aber Sie sind doch Willard Narrisch? Der Megamillionär, der zum Soldaten wurde?«
Narrisch zuckte leicht zusammen, wie er es stets tat, wenn er in der Öffentlichkeit mit seinem reichtumsbegründeten Ruhm konfrontiert wurde, und warf der Kompanie einen schnellen Blick zu. Die Legionäre kamen gerade aus dem Schiff; einige von ihnen starrten die Lichtreklamen der Casinos an, während andere in Gruppen näher kamen, um nachzusehen, was mit ihrem Kommandanten geschah.
»Das ist richtig«, antwortete er ruhig.
»Großartig!« rief der Mann, ergriff Narrischs Hand und drückte sie überschwenglich. »Ich bin Jake Herkamer. Ich möchte Sie fragen, ob ich einige Minuten Ihrer Zeit in Anspruch nehmen darf, um mit Ihnen ein kurzes
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