Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Christentum: Was man wirklich wissen muss (German Edition)

Das Christentum: Was man wirklich wissen muss (German Edition)

Titel: Das Christentum: Was man wirklich wissen muss (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Nürnberger
Vom Netzwerk:
Durchbrüche in dem genannten Zeitraum derart auf, dass er für immer interessant bleibt und sogar noch interessanter wird, wenn man das Blickfeld auf Griechen und Juden beschränkt. Was sich dort in beiden Kulturen zwischen dem achten und zweiten vorchristlichen Jahrhundert entwickelte, bestimmt noch heute das Geschehen in Europa, in der gesamten westlichen Hemisphäre, und letztlich auch im Rest der Welt.
    In beiden Kulturen wird der althergebrachte Götterglaube verabschiedet. Beide Kulturen unterscheiden jetzt streng zwischen Wahr und Falsch, Gut und Böse, Schön und Hässlich. Aber die Ergebnisse dieses Nachdenkens und Unterscheidens fallen so verschieden aus, dass man sich größere Gegensätze kaum vorstellen kann.
    Die Griechen entmythologisieren ihren Götterhimmel und lassen ihn auf einen abstrakten, unpersönlichen Logos zusammenschnurren, den es durch die Anstrengung des Geistes zu erkennen gelte. Die Juden entmythologisieren die Götterhimmel der anderen und setzen ihnen ihren eigenen Himmel entgegen. Dort thront nur noch ein einziger, ihr Gott, kein Logos, sondern ein persönlicher Gott, der Gott ihrer Väter und aller Völker, ein den Menschen zugewandter Gott und einer, der in die Geschichte eingreift, sich ein Volk erwählt und mit diesem Volk etwas vorhat. Dieser Gott steht der Welt und den Menschen als der ganz Andere gegenüber und kann vom Verstand des Menschen nicht erfasst werden. Der Mensch kann von sich aus nichts tun, um ihn zu erkennen, sondern Gott muss auf den Menschen zugehen und sich ihm zu erkennen geben.
    Die Griechen interessieren sich für das Stoffliche, die Natur und die Prinzipien, die in ihr walten. Sie sind Naturwissenschaftler und akzeptieren nicht mehr vorbehaltlos, was alte Autoritäten darüber gesagt haben. Deren Lehren werden jetzt auf Stimmigkeit, Vernunft, Logik und Stringenz überprüft, und was bei dieser Prüfung durchfällt, wird verworfen. Sie erfinden die Wissenschaft.
    Die Juden interessieren sich für Geschichte und das Walten ihres Gottes in ihr. Sie sind Historiker und Theologen und blicken auf die Welt mit der Distanz und den Augen Gottes. Was vor dessen Augen nicht bestehen kann, wird verworfen. Sie erfinden die Theologie und die theologisch gedeutete Geschichte, die nun einen Anfang und ein Ende hat und ein Ziel. Der heidnische Glaube an die ewige Wiederkehr des Gleichen wird verworfen.
    Die Griechen grenzen sich ab von den anderen durch ihre gemeinsame, hochdifferenzierte Sprache. Die anderen, das sind die mit der primitiven Sprache, die bar bar sagen, die Barbaren. Die Juden grenzen sich ab von den anderen durch ihre gemeinsame, hochkomplizierte Geschichte und ihre exklusive Beziehung zum einzigen Gott. Die anderen, das sind die Heiden, die primitive Götzen anbeten, an falsche Götter glauben und darum falsch leben.
    Bei den Griechen beginnt das Nachdenken mit dem Staunen darüber, dass da überhaupt etwas ist und nicht etwa nichts. Bei den Juden beginnt das Nachdenken mit dem Staunen darüber, dass sie nichts sind, Sklaven, aber vom höchsten Wesen, Gott, aus größter Gefahr gerettet und erwählt wurden, und dass dies keine bloße Götterlaune war.
    In Griechenland treten Dichter und Denker auf den Plan, in Israel Priester und Propheten. Die Griechen schwelgen in Bildern, Formen, Farben und erfreuen sich an Skulpturen, in Israel herrscht Bilderverbot. Die Griechen lieben das Theater, die Tragödie, die Komödie und nehmen das Leben eher von der leichten und heiteren Seite. In Israel erzählt man sich Geschichten von Abraham und Isaak, der geopfert werden soll, Geschichten von tödlichem Ernst und radikaler Unbedingtheit.
    Griechenland schätzt die Beredsamkeit, erfreut sich an der guten Rede, an der Form des Vortrags und seiner Art der Darbietung. Israel wurde von einem Mann geführt, der eine schwere Zunge hatte, Mose. Ihn interessierte nicht sophistische Beredsamkeit, sondern Gerechtigkeit.
    Die Griechen entwickeln eine hohe Sinnlichkeit, haben Lust an der Erotik. Homosexualität und Knabenliebe sind gesellschaftlich akzeptiert. Israel ist prüde, Homosexualität dort ein Frevel.
    In Griechenland genießen Wissen, Vernunft und Glückseligkeit die höchste Wertschätzung. In Israel sind es Glaube, Wahrheit und das Gesetz. Den Griechen geht es um das Gute, Wahre, Schöne, den Juden um Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. Griechenland entdeckt das Individuum, Israel entdeckt sich als Volk. Der Grieche sagt Ich . Die Juden sagen Wir .
    Beide

Weitere Kostenlose Bücher