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Das Christentum: Was man wirklich wissen muss (German Edition)

Das Christentum: Was man wirklich wissen muss (German Edition)

Titel: Das Christentum: Was man wirklich wissen muss (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Nürnberger
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dagegen ließen die Waffen fallen, als sie sahen, wie sich mitten am Tag die Sonne verdunkelte. Sie glaubten an einen Fluch der Götter. Die Lydier wussten es besser. In Lydien hatten die Götter ausgedient. Dort war eine neue Zeit angebrochen, die sich in einem veränderten Verhältnis der Griechen zur Wirklichkeit ausdrückte. Die Berechnungen des Thales von Milet waren ein Ausdruck dieses veränderten Verhältnisses.
    Ziemlich genau zur selben Zeit hatte sich auch das Verhältnis der Juden zur Wirklichkeit geändert, jedoch in einer von den Griechen ganz verschiedenen Weise. Die Unterschiede und Gemeinsamkeiten lassen sich am Beispiel des ersten Satzes der Bibel erläutern, der möglicherweise von einem jüdischen Priester in Babylon just in dem Moment geschrieben wurde, als in Griechenland ein Mathematiker über den Ausgang einer Schlacht entschied. Dieser erste Satz des Alten Testaments und zugleich des biblischen Schöpfungsberichts lautet: Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde . (1 Mose 1)
    Nimmt man von jedem der sieben Worte des hebräischen Urtextes den ersten Buchstaben und addiert deren entsprechende Zahlenwerte (nach dem Schema a=1, b=2 usw.), erhält man die Summe 22. Das ist die Zahl der Buchstaben des hebräischen Alphabets, und man kann sicher sein, dass dies kein Zufall, sondern von den Autoren so gewollt ist.
    Solchen Zusammenhängen zwischen Buchstabe und Zahl begegnet man oft im hebräischen Urtext. Zahlen waren den Juden, wie vielen anderen Kulturen der damaligen Zeit auch, etwas Mythisches, die göttliche Ordnung Symbolisierendes. Die Schöpfung galt den Juden daher als wohlgeordnetes Sprachwerk. Gott schuf die Welt durch sein Wort. Daher konnten die Juden schreiben: Und Gott sprach, es werde Licht, und es ward Licht . (1 Mose 3)
    Die Griechen entmythologisierten die Zahl und bereiteten damit der Mathematik und der Wissenschaft den Weg. Die Juden blieben der Zahlenmythologie verhaftet, aber entmythologisierten Himmel und Erde und bereiteten der Aufklärung den Weg. Mit ihrem Schöpfungsbericht kam wirklich ein neues Licht in die Welt, der Himmel klärte sich, auf der Erde wurde es heller, der Götterhimmel leerte sich, Erde und Kosmos wurden entheiligt. Die Welt wurde profan und stand ihrer Nutzung und Erforschung durch den Menschen zur Verfügung.
    Zeitgleich und unabhängig voneinander versuchten Juden und Griechen, sich ein neues Bild von Gott und der Welt zu machen. Nicht nur in Griechenland und Juda wurden derlei Anstrengungen unternommen. In mehreren der damals existierenden Kulturen traten plötzlich an ganz verschiedenen Orten einzelne Menschen auf, die sich unabhängig voneinander ein paar grundlegende Fragen stellten, Antworten versuchten und daraus erstmals in der Menschheitsgeschichte große, geschlossene philosophische Systeme entwickelten.
    In China waren es Konfuzius (551   –   479   v.   Chr.) und Laotse (6. Jhdt. v. Chr.), die die großen Richtungen der chinesischen Philosophie vorgaben. In Indien lebte und lehrte Buddha (ca. 450   –   370   v.   Chr.), und zwischen dem siebten und zweiten Jahrhundert vor Christus entstanden dort mit den Upanischaden die philosophischen Schriften des Brahmaismus. In Griechenland dichtete Homer (8. Jhdt. v. Chr.), und zwischen dem sechsten und vierten Jahrhundert philosophierten dort Parmenides, Pythagoras, Thales, Sokrates, Platon und Aristoteles.
    In Judäa traten die Propheten auf und kritisierten König, Volk und Klerus dafür, dass sie das von Gott gegebene Gesetz verwässerten, falsch auslegten, umgingen oder schlicht ignorierten. Die zentralen Texte der jüdischen Bibel entstanden. Der fortschrittlichste, aufgeklärteste Schöpfungsbericht der damaligen Zeit wurde geschrieben, und ein ganzes Volk bekehrte sich zum Monotheismus.
    In diesen wenigen Jahrhunderten erklomm das menschliche Bewusstsein eine höhere Entwicklungsstufe und legte die Grundlagen für die heutige Welt, weshalb der Philosoph Karl Jaspers diesen Zeitraum als «Achsenzeit» bezeichnete. Seine Wortschöpfung wird heute vielfältig kritisiert, weil es auch vor und nach diesen berühmten drei bis sechs Jahrhunderten geistige Durchbrüche und erwähnenswerte Kulturen gab. Außerdem hat Zarathustra, den Jaspers noch in seine Zeugenschar einreiht, neueren Erkenntnissen zufolge vermutlich nicht im sechsten Jahrhundert gelebt, sondern schon viel früher, um das Jahr 1000 oder sogar bereits um 1800 vor Christus.
    Trotz dieser Kritik fällt die Häufung geistiger

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