Das Christentum: Was man wirklich wissen muss (German Edition)
Jahrzehnte sich erstreckenden Guerillakrieg gegen Rom, bis es der Staatsmacht unter Kaiser Hadrian zu bunt wird und dieser im Jahr 135 nach Christus eine endgültige Entscheidung herbeizwingt.
Einen letzten Aufstand unter Führung eines Simon Ben Kosiba, der aramäisch Bar-Kochba genannt wird, schlagen die Römer blutig nieder, und sie beenden die jüdische Selbstverwaltung in Jerusalem und Judäa. Jerusalem wird eine römische Provinzstadt und erhält den Namen Colonia Aelia Capitolina. Den Juden wird unter Androhung der Todesstrafe verboten, die Stadt zu betreten. Nun haben sie auch noch Jerusalem verloren.
Die Stadt selbst nimmt jetzt römische Gesichtszüge an. Auf dem Tempelberg wird ein Heiligtum für Jupiter errichtet, auch einen Venustempel bauen die Römer. Griechen wandern ein. Thermen, Theater und Reitbahnen entstehen – das jüdische Leben in Palästina erlischt. Erst im vierten Jahrhundert nach Christus wird den Juden wieder erlaubt, einmal im Jahr zurückzukehren und dort den Untergang ihrer heiligen Stadt zu beweinen.
Es sei eine «der merkwürdigsten Koinzidenzen der Geschichte, dass der jüdische Tempel genau in dem Moment zerstört wird, als er aus der inneren Entwicklung der Religion heraus überflüssig geworden war», schreibt Jan Assmann in seinem Buch Religion und kulturelles Gedächtnis : «Hätte Titus den Tempel nicht zerstört, hätte man ihn schließen müssen – oder es wäre nie zum Judentum und damit auch nie zum Christentum und Islam gekommen. Der Tempel war gewissermaßen überfällig, denn der Kult hatte seinen Tod längst in der Schrift gefunden.» (S. 164)
Ganz so war es aber doch nicht. Das Judentum gründet nicht nur in der Schrift. Mit der Schrift allein hätte es nicht überdauern können. Dazu bedurfte es noch etwas Materiellem, eines Ortes in Raum und Zeit. Dieser Ort war die Synagoge, ein Bethaus, ein Lehrhaus, das schützende Gehäuse für die Thora, und noch viel mehr.
Der älteste schriftliche Beleg für eine jüdische Gebetsstätte stammt aus Ägypten aus der Zeit um das Jahr 230 vor Christus. Die bisher älteste ausgegrabene Synagoge stammt aus der Zeit um 100 vor Christus und steht auf der Insel Delos in der Ägäis.
Wie, wann und unter welchen Umständen die Institution der Synagoge entstanden ist, wissen wir nicht genau. Sehr wahrscheinlich wurde sie in der Diaspora erfunden, als Ersatz für den Tempel. Dieser war in Judäa der zentrale Versammlungsort der jüdischen Gemeinde. In der Diaspora gab es diesen Ort nicht. Aber auch dort musste man zusammenkommen, um zu beten, die Schrift zu lesen und auszulegen, den Nachwuchs zu unterrichten, Streit zu schlichten, das Gemeindeleben zu organisieren.
Um diese Aufgaben herum entstand die Synagoge. Sie wurde zum materiellen Zentrum der jüdischen Gemeinde mit der Schrift in der Mitte. Von hier aus hält man Kontakt zu den anderen Gemeinden auf der Welt. Die Synagoge ist die erste Anlaufstelle für Besucher und Durchreisende aus anderen Gemeinden. Von hier aus entfaltet sich das jüdische Leben in den nächsten zwei Jahrtausenden.
Die Juden überlebten diese vielen Jahrhunderte dank ihrer transportablen Heimat, der Thora, der Synagoge und ihres einzigartigen Glaubens und der damit verbundenen Geschichte.
Mit einer Verheißung an das Volk Israel hat diese Geschichte begonnen. Mit einer Verheißung an die ganze Welt klingt sie aus: Und es wird der Herr der Heerscharen auf diesem Berge allen Völkern ein Mahl bereiten, ein fettes Mahl, ein Mahl von alten Weinen, von fetten, markigen Speisen, von alten geläuterten Weinen. Auch wird er auf diesem Berge die Schleierhülle wegnehmen, die alle Völker verhüllt, und die Decke, womit alle Nationen bedeckt sind. Er wird den Tod auf ewig verschlingen. Gott der Herr wird die Tränen von allen Angesichtern abwischen und die Schmach seines Volkes von der ganzen Erde hinwegnehmen. (Jesaja 9, 5)
Und ein Messias wird kommen und die ganze Welt erlösen: Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben; und die Herrschaft kommt auf seine Schulter; und man nennt ihn: Wunderbar, Rat, starker Gott, Ewigvater, Friedefürst . (Jesaja, ebd.)
Dieser Friedefürst wird Jesus sein – für die Christen. Die Juden warten noch auf ihn.
Die Botschaft des Juden Jesus findet Glauben durch die Missionsarbeit des Römers Paulus bei den Heiden in der griechischrömischen Welt. Jetzt prallen griechisches und jüdisches Denken aufeinander, schlagen Funken, verschmelzen – vermittelt durch
Weitere Kostenlose Bücher