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Das Christentum: Was man wirklich wissen muss (German Edition)

Das Christentum: Was man wirklich wissen muss (German Edition)

Titel: Das Christentum: Was man wirklich wissen muss (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Nürnberger
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Haltung, die in diesem kompromisslosen Nein zum Vorschein kam. Diese Haltung der christlichen Märtyrer hatte für die Staatsmacht etwas Unbezwingbares und darum etwas die Grundfesten Erschütterndes. Die da lieber in den Tod gingen, als dem Kaiser Tribut zu zollen, haben damit alles bis dahin im Reich Geltende für gleichgültig, ja für ungültig erklärt. Jetzt blickte die Staatsmacht, wenn sie Christen vor sich hatte, nicht mehr auf lächerliche Naivlinge, sondern in einen Abgrund, in ihren eigenen Untergang.
    Um ihm zu entgehen, besann sich ein römischer Kaiser auf die Überlebensstrategie der Unterlegenen: Wenn du deinen Feind nicht bezwingen kannst, verbünde dich mit ihm. Genau das tat der Kaiser. Konstantin hieß er. Er bereitete den Weg dafür, dass das Christentum im vierten Jahrhundert zur Staatsreligion wurde. Von da an führte der Weg über die Zwangstaufe zu Jesus, ohne Umkehr, ohne Buße. Und ohne Verstand.
    Sein Reich konnte Konstantin damit nicht retten. Aber er ermöglichte etwas Neues: Europa. Errichtet wurde es von jenen Narren und Sklaven, die nun nicht mehr auszurotten waren. Der Rest ist Geschichte.

DIE KIRCHLICHE TRAGÖDIE: VOM BÜNDNIS VON THRON UND ALTAR, DEM VERRAT AN DER EIGENEN BOTSCHAFT UND VOM WIDERSTAND GEGEN DIESEN VERRAT
    Es ist eine sonderbare Geschichte. In den Schicksalsjahren zwischen 313 und 380 nach Christus wurde einerseits die Grundlage dafür gelegt, dass sich das Christentum in der Welt durchsetzen, Europa erfinden und sich bis heute erhalten konnte. Andererseits folgten diesen Jahren mehr als anderthalb Jahrtausende, in denen das Christentum Christus immer wieder verraten hat. Diese Ambivalenz kennzeichnet Europa und die westliche Welt bis in die Gegenwart.
    Zwischen 313 und 380 bildete sich jenes Bündnis von Thron und Altar, das selbst heute noch nicht überall ganz zerbrochen ist. Meistens profitierte die geistliche Macht mehr von diesem Bündnis als die weltliche. Kaiser und Könige kamen und gingen, der Papst blieb. Kaiserreiche blühten auf und verschwanden, die Kirche blieb. Sie überstand Luther und die Reformation, die Französische Revolution, die Aufklärung, Napoleon und die Säkularisierung. Sie überlebte Hitler und Stalin, und sie wird wohl auch China, Russland und die USA überleben.
    Man kann das damit erklären, dass Gott stets seine schützende Hand über die Kirche hält. Man kann es aber auch damit erklären, dass die Kirche schon früh ein sehr modernes Führungsprinzip etablierte.
    Kaiser und Könige vererbten ihre Würde an ihre Nachkommen weiter, und man konnte gewiss sein, dass spätestens in der vierten Generation ein Idiot kommen und alles wieder kaputt machen würde, was seine Vorfahren aufgebaut hatten. Das kirchliche Führungspersonal dagegen kannte keine natürliche Erbfolge, keine adlige Inzucht und keine familiären Versorgungsansprüche, sondern musste sich immer von Neuem aus den jeweils Besten rekrutieren. Mit dem Verlust von König- und Kaiserreichen verschwand immer auch das vorhandene Herrschaftswissen. Die neuen Herrscher mussten es sich neu erwerben und an ihre Nachkommen weitergeben.
    Das kirchliche Herrschaftswissen ging nie verloren, konnte, wie die kirchlichen Besitztümer, kontinuierlich erweitert und ungestört an die jeweils nachfolgende Kardinalsgeneration weitergereicht werden. Und dank der fast globalen Verbreitung der Kirche flossen in Rom die Informationsströme aus aller Welt zusammen. Das verschaffte den Herren in Rom einen Vorteil, den sie stets zu nutzen wussten und oft, in scheinbarer Demut, gnadenlos ausspielten gegen jene tumben Toren, die sich Kaiser, Fürst oder König nannten.
    Von all dem wussten die Christen des vierten Jahrhunderts noch nichts. Als ihnen Roms Kaiser Konstantin im Jahr 313 die volle Gleichberechtigung im Staat gewährte, herrschten nichts als Jubel und Dankbarkeit. Ab sofort waren sie frei von allen Einschränkungen und Repressalien.
    Der Gleichstellung folgte wenig später die Bevorzugung. Konstantin verbot seinen heidnischen Beamten, was früher den Christen verboten war: das öffentliche Bekenntnis ihres Glaubens durch Opfergaben. Außerdem besetzte er immer mehr Beamtenstellen mit Christen, denn sie erwiesen sich als gehorsam, dankbar, zuverlässig und tüchtig, und im Jahr 321 führte der Kaiser die Sonntagsfeier per Gesetz ein.
    Die Christen fühlten sich nicht als Sieger, sondern als Untertanen Gottes, der ihre Bitten und Gebete um ein Ende der Verfolgung erhört hatte. Dass der

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