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Das Christentum: Was man wirklich wissen muss (German Edition)

Das Christentum: Was man wirklich wissen muss (German Edition)

Titel: Das Christentum: Was man wirklich wissen muss (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Nürnberger
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Christen durch die römische Staatsmacht. Eine aktive Verfolgung der Christen durch den Staat war darin nicht vorgesehen. Auf anonyme Anzeigen sollte nicht reagiert werden. Übergriffe aus der Bevölkerung gegen Christen waren zu unterbinden. Christen aber, die wegen ihres Christseins oder wegen der Verweigerung des Kaiserkults vor Gericht gebracht wurden, waren zum Tode zu verurteilen. Sie sollten allerdings die Chance bekommen, ihrem Glauben abzuschwören. Taten sie es, mussten sie freigelassen werden.  24
    Das klingt relativ tolerant, bedeutete aber, dass Christen zum Freiwild für Denunzianten wurden. Sie mussten noch nicht einmal den Kaiserkult verweigern, um vor Gericht gebracht zu werden. Es genügte schon, dass jemand behauptete, dieser oder jener sei ein Christ, und wenn der Betreffende sich zu seinem Glauben bekannte und ihm nicht abschwor, bedeutete das den Tod.
    Es war ein grausamer, schändlicher Tod. Die Christen wurden in den römischen Theatern unter dem Gejohle eines sensationslüsternen Publikums in die Arena gejagt, wo wilde Tiere darauf warteten, sie zu zerfleischen. Kaiser Nero steckte Christen in brennbare Stoffe und führte sie während eines Festes in seinem Garten als lebende Fackeln seinen Gästen vor.
    Viele gingen deshalb in den Untergrund, überlebten in den Katakomben, übten ihre Religion in Verstecken und an abgelegenen Orten aus. In jener Zeit entstand der Fisch als geheimes Zeichen, an dem die Christen einander erkannten. Eine Person zeichnete einen Bogen in den Sand, die andere vollendete das Symbol mit dem Gegenbogen und offenbarte sich damit als Bruder oder Schwester.
    Man wählte den Fisch, weil das griechische Wort für Fisch, Ichthys, sich aus den Buchstaben für Iē sus, Ch ristós, Th eu, h Y iós, Sō tér (Jesus, der Gesalbte, Gottes Sohn, Retter) zusammensetzen lässt. Dieses Fischmotiv ist seit dem zweiten Jahrhundert bekannt, und man sieht es noch heute als Graffiti in den Katakomben des Kallixtus in Rom. Auch in Mosaiken in alten Kirchen und Klöstern taucht es auf und erinnert an das Schicksal der frühen Christen.
    Die Staatsmacht vollstreckte die Todesstrafe relativ leidenschaftslos. Dahinter standen auf römischer Seite weder Furcht noch Hass, sondern reiner Pragmatismus, der Wunsch nach Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung. Außerdem dachten die Römer, der unvernünftigen und abergläubischen Sektierer durch Abschreckung Herr zu werden. Zugleich hatte man mit den christlichen Märtyrern ein willkommenes Futter nicht nur für die Raubtiere, sondern auch für das gemeine Volk.
    Oft ging das Kalkül der Abschreckung auch auf. Es gab viele Christen, die angesichts der Wahl zwischen Leben und Tod dann doch lieber auf das Leben setzten und ihrem Glauben wieder abschworen. Es gab aber auch sehr viele, die lieber in den Tod gingen. Und damit hatte die Staatsmacht nicht gerechnet.
    Da erst dämmerte ihr, dass sie es nicht mit armen Irren zu tun hatte, sondern mit etwas Unheimlichem. «Was ist ein Mensch in der Revolte?», fragt Albert Camus, «ein Mensch, der nein sagt». Diese Christen sagten nein. Diese Christen, so harmlos-friedlich sie sich auch gaben, waren Rebellen. Sie beschieden dem mächtigsten Mann der Welt: Als politische Ordnungsmacht akzeptieren wir dich. Auch als religiöses Oberhaupt der Heiden akzeptieren wir dich noch, obwohl wir wissen, dass du damit bereits deine Grenzen überschreitest. Aber als geistliches Oberhaupt über uns akzeptieren wir dich unter gar keinen Umständen. Unser Herr kannst du nicht sein, denn das ist schon ein anderer. Über unseren Leib magst du verfügen, über unser Herz nicht. Rom soll dir gehören, aber unsere Seele, unser Geist, unsere Liebe und Verehrung gehören einem anderen. Wir müssen nein sagen zu dir, weil wir ja gesagt haben zu einem Mächtigeren.
    Und so ließen sie sich vor aller Augen lieber von den wilden Tieren zerreißen, als ihr Ja und ihr Nein zu vertauschen. Dabei beteten sie, vergaben ihren Peinigern, gingen ohne Hass in den Tod. Das unterscheidet sie bis heute von jenen so genannten Helden und Märtyrern, die sich voller Hass mit einem Fluch gegen ihre Feinde in den Tod stürzen und bewusst auch noch andere mit in den Tod reißen. Die christlichen Märtyrer brannten nicht gegen Rom, sondern für Gott.
    Rom erschütterte gar nicht einmal so sehr das Verweigern des Opferkults. Das Nein zum Kaiser empörte zwar, aber das Unheimliche für den Kaiser und die ihn stützenden Kreise war die unbeugsame

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