Das Comeback
die Idee gekommen, daß Edgar anscheinend regelmäßig Gewichtstraining machte.
Es war ungewöhnlich, daß Edgar nicht einen seiner eleganten Anzüge trug. Bosch konnte sich denken, warum. Mit seiner saloppen Kleidung konnte er sich gut um die Dreckarbeit drücken. Die Benachrichtigung der Angehörigen.
Sie gingen langsamer, als sie sich dem Rolls näherten, als ob das Unheil irgendwie ansteckend wäre. Der Wagen war mit seinem Heck nach Süden geparkt und sichtbar für das Konzertpublikum in den obersten Rängen. Bosch dachte noch einmal über die Situation nach.
»Ihr wollt also den Typen rausholen, während all die Leute beim Picknick mit dem Weinglas in der Hand zuschauen?« fragte er. »Wie würde das wohl heute abend im Fernsehen aussehen?«
»Nun«, erwiderte Edgar, »wir dachten, wir überlassen dir die Entscheidung, Harry. Schließlich bist du die Drei.«
»Stimmt«, sagte Bosch sarkastisch. »Ich bin die Drei.«
Bosch hatte sich noch nicht daran gewöhnt, daß er ein sogenannter Teamleiter war. Es war schon achtzehn Monate her, daß er offiziell einen Mord untersucht hatte – von der Leitung eines Fahndungsteams ganz zu schweigen. Nachdem er im Januar von seiner Zwangsbeurlaubung wegen Streß zurückgekehrt war, war er dem Einbruchsdezernat des Hollywood-Reviers zugeteilt worden. Der weibliche Commander der Detective-Abteilung, Grace Billets, hatte ihm erklärt, daß er sich als Detective in seinem neuen Arbeitsgebiet leichter wieder einarbeiten würde. Ihm war klar, daß es sich um eine Lüge handelte, und daß sie Anweisung bekommen hatte, wo sie ihn einsetzen sollte. Aber er nahm die Versetzung ohne Widerworte hin. Er wußte, daß sie irgendwann seine Hilfe brauchen würden.
Nach acht Monaten Schreibtischarbeit und einigen Verhaftungen von Einbrechern, wurde er in das Büro des Commanders gerufen. Billets teilte ihm mit, daß sie Veränderungen vornehmen würde. Die Mordaufklärungsrate des Reviers hatte ein Rekordtief erreicht. Weniger als die Hälfte der Morde wurden aufgeklärt. Billets hatte die Leitung der Detective-Abteilung vor einem Jahr übernommen und mußte widerwillig zugeben, daß die Aufklärungszahlen unter ihrer Führung einen Sturzflug angetreten hatten. Bosch hätte ihr sagen können, daß dies teilweise daran lag, daß sie nicht die statistischen Tricks ihres Vorgängers anwendete. Harvey Pounds hatte immer einen Weg gefunden, die Statistik zu schönen. Aber Bosch behielt sein Wissen für sich und hörte Billets Plänen schweigend zu.
Der erste Schritt war, Bosch Anfang September wieder an den Mord-Tisch zu versetzen. Sely, ein lahmarschiger Detective, würde im Austausch zum Einbruchsdezernat gehen. Billets hatte auch einen weiblichen, jungen und cleveren Detective namens Kizmin Rider vom Pacific-Revier rekrutiert, mit der sie dort zusammengearbeitet hatte. Die letzte und radikalste Maßnahme war, die traditionellen Zweierteams aufzulösen. Die neun Detectives, die in Hollywood für Mord zuständig waren, würden von nun an zu dritt in drei Teams arbeiten. Jedes Team würde von einem Detective dritten Grades geleitet werden. Bosch war Drei. Er war Leiter von Team Eins.
Die Gründe für die Umstrukturierung leuchteten ein – zumindest auf dem Papier. Die meisten Mordfälle wurden in den ersten achtundvierzig Stunden gelöst – oder nie. Billets war an einer höheren Aufklärungsrate interessiert und setzte daher mehr Detectives für jeden Fall ein. Was nicht so gut auf dem Papier aussah, besonders für die neun Detectives, war die Tatsache, daß vier Zweierteams durch drei Dreierteams ersetzt würden. Von nun an würde jeder Detective für jeden dritten statt für jeden vierten Fall zuständig sein. Das bedeutete mehr Fälle, mehr Gerichtstermine, mehr Überstunden und mehr Streß. Nur die Überstunden wurden positiv bewertet. Aber Billets hörte sich die Klagen der Detectives nicht lange an und blieb hart. Mit ihrem neuen Plan verdiente sie sich ihren Spitznamen Bullets.
»Hat schon jemand mit Bullets gesprochen?« fragte Bosch.
»Ich hab angerufen«, sagte Rider. »Sie war übers Wochenende in Santa Barbara. Hat eine Nummer bei der Zentrale hinterlassen. Sie kommt vorzeitig zurück. Aber es dauert mindestens noch anderthalb Stunden. Sie bringt zuerst noch ihren Mann nach Hause und fährt dann zum Revier.«
Bosch nickte und ging zum Heck des Wagens. Seine Nase nahm den Geruch sofort wahr. Schwach, aber unverwechselbar. Er nickte wieder, wie im Selbstgespräch. Dann
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